Gelsenkirchen

Candide

AMERICAN OPERETTA VON LEONARD BERNSTEIN

BUCH NACH VOLTAIRE VON HUGH WHEELER

MUSIKALISCHE LEITUNG: RASMUS BAUMAN

INSZENIERUNG: GIL MEHMERT

BÜHNE: ALISSA KOLBUSCH

Premiere: 12. 10. 2008

 

Vom Suchen und Finden

 

Zum Auftakt der neuen Spielsaison ging man im Musiktheater in Gelsenkirchen zunächst auf „Suche". Nichts Geringeres als „Die beste aller möglichen Welten sollte gefunden werden". Keine leichte Aufgabe, davon konnte sich das Publikum am Sonntag bei der Premiere von „Candide" überzeugen.

 Voltaire, der große Aufklärer, Spötter und Wegbereiter der französischen Revolution lieferte den Stoff für Candide. Es ist ein grandioser Roman und ein Werk, das einerseits die vorrevolutionäre aristokratische Weltordnung in Frage stellt, andererseits auch Gott als Schöpfer der Weltordnung an den Pranger stellt. Voltaire rechnet mit Staat, Gesellschaft und Kirche ab.

 

Der Held im Roman ist Optimist. Unerschüttlich glaubt er an die These: Gott habe die beste aller möglichen Welten geschaffen. Die Suche nach seiner geliebten „Cunigunde" führt ihn kreuz und quer durch die Welt. Dabei bekommt er hautnah die Realität des Lebens zu spüren. Er wird mit Armut, Krankheit, Krieg und Tod konfrontiert.

 

In den 50er Jahren entdeckte Leonard Bernstein den Roman für sich. Zeitlebens beschäftigte er sich damit. Bernstein, der selber ein Freigeist war, fühlte sich den Ideen Voltaires sehr verbunden. 1956 brachte er „Candide als American Operetta" an den Broadway. Später ergänzte er sie mit immer neuen Lied- und Textfassungen, war aber nie wirklich zufrieden damit. Zuletzt brachte er in London eine konzertante Aufführung auf die Bühne (1989).

 

In Gelsenkirchen wagte sich Regisseur Mehmet Gil an das Werk heran. Wohl wissend, welche Problematik auf ihn wartet. Denn nicht nur die vielen verschiedenen Schauplätze, auch der absurde, ionische und trockene Wortwitz in Voltaires Roman stellen eine große Herausforderung da.

 

Alissa Kohlbusch konzipiert eine Variete Bühne mit Glitzervorhang für die skurrile Handlung mit Showcharakter. Die Variete Bühne wird auf der Bühne platziert und verdeutlicht als "Bühne auf der Bühne" den revueartigen Charakter des Stückes. Sie dient als Projektionsfläche für Candids Abenteuer rund um den Globus. Die Inszenierung zeigt die Vielzahl der Schauplätze, die der Titelheld auf der Suche nach der besten aller möglichen Welten aufsucht. Damit die Story übersichtlich bleibt, präsentiert die Regie neben Voltaire, auch noch zwei Begleiter, die das Geschehen begleiten. Sozusagen als ordnende Hand des Ganzen..

 

Die Bemühungen des Ensembles dem großen „Voltaire" und auch „Bernstein" gerecht zu werden, sind durchaus lobenswert. Doch trotz visueller Reize (farbenprächtige Kostüme), Comiczeichnungen, technischen Gags (Flugzeug) und sarkastischer Spitzfindigkeiten in den Dialogen, will der Funke einfach nicht überspringen. Der Inszenierung fehlt es an Tiefe, Spannung und an Charisma. Stellenweise kommt sogar Langweile auf. Woran mag es liegen? An der ideologischen Überfrachtung? An den Klischees, die nicht mehr zum Nachdenken anregen oder iegt es einfach daran, dass mangels fehlender Verfremdung des Stoffs der Fantasie wenig Raum gegeben wird.

 

Wenig inspirierendes kommt von den Solisten. Diana Petrova als Cunigunde enttäuscht. Sie singt mit dünner Stimme, nur bei den Koloraturen vermag sie zu glänzen. Ariane Arcoja in der Rolle der alten Lady hört sich kraftlos an und Lars Rühl beeindruckt als Candide nur gelegentlich, es fehlt ihm an Charisma.

 

Die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Erasmus Baumann spielt die Partitur präzise und hat ein gutes Gespür für die musikalischen Visionen Bernsteins.

 

Das Premierenpublikum honoriert die Inszenierung mit sehr viel Wohlwollen.

Alles in allem hätte man der neuen Intendanz einen besseren Start gewünscht.

(HA-KRU)