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Kabale und Liebe

Ein bürgerliches Trauerspiel

von Friedrich Schiller

 

Premiere: 24. März 2012

 

Inszenierung: Martina Eitner-Acheampong

 

"Kabale und Liebe" entstand am Ende der Sturm-Drang-Epoche, wenige Jahre vor Beginn der Französischen Revolution. Die Anzeichen für eine Krise hatten sich verstärkt, die alte Ordnung sollte es bald nicht mehr geben.

 

Schillers Werk nur auf Liebe und Intrige zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht. Die Verhältnisse im bürgerlichen Trauerspiel sind weitaus komplizierter. Es geht es um drei große Themenbereiche: Familienkonflikt, Standesprobleme und Absolutismuskritik.

 

Im 21. Jahrhundert greift Ferdinand zur  Gitarre und schmettert für seine Luise ein Liebeslied. Schillers Klassiker, in der Inszenierung von Martina Eitner-Acheampong, hat ein modernes Gewand bekommen. Im gläsernen Einkaufspalast (Jan Steigert) als Handlungsort mit Treppen und Drehtür, fahren die Protagonisten Treppen rauf und runter und springen mehr oder weniger schwungvoll über Brüstungen.

 

Bürgerliches Heim der Millers: Das war einmal. Die Regisseurin verlegt die Handlung gleich in der ersten Szene  in eine Bar. Vater Miller (Gerhard Hermann) hält sich dort auf und ist tief beunruhigt. Die Ordnung in seinem Haus ist gefährdet, denn seine Luise liebt den adeligen Ferdinand. Ihre Tugend ist damit in Gefahr. In der ständisch-patrialischen Welt ist für diese Liebe kein Platz.

 

Mutter Miller gibt es nicht mehr. Die Regie hat sie wegrationalisiert. Ersetzt durch eine Bardame. Eva Kurowski im Knall-roten Kleid beteuert wiederholt: „Luise, du bist zu etwas Höherem bestimmt".

 

Lisa Jobts "Luise" wirkt nicht naiv oder ängstlich. Die Regisseurin hat die Titelheldin als modernes selbstbewusstes Mädchen gezeichnet. Ihr weiß-violettes Blumenkleid ist eine Anspielung auf das Veilchen Zitat im ersten Akt des Dramas: „Dies Blümchen wäre es ein Veilchen und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben.“ Luise fällt der Intrige Wurms (David Simon) zum Opfer, da weicht die Inszenierung nicht vom Klassiker ab. Tod durch vergiftete Limonade ist ihr Schicksal.

 

In der temporeichen Inszenierung von Martina Eitner-Acheampong geht es in den ersten drei Akten turbulent zu. Die Figuren brüllen, lachen, telefonieren, greifen zu Musikinstrumenten und posieren vor laufender Kamera. Allen voran Jan Pröhl, der als Präsident Walter und Ferdinands Vater eine ungeheure Bühnenpräsenz besitzt. Er überzeugt als skrupelloser Machtmensch, der alle Register zieht, um Untergebene gefügig zu machen. Als Werkzeuge seines Machtstrebens dienen ihm Wurm und Hofmarschall Kalb.

 

Wurm ist längst nicht der Fiesling, wie Schiller ihn beschreibt. David Simon verleiht ihm durchaus sympathische Züge, die Hinterhältigkeit sieht man ihm nicht an. Eindrucksvoll porträtiert er den Grenzgänger höfischer und bürgerlicher Welten, dessen Kalkül es ist, Luise für sich zu gewinnen. Sein vergeblicher Versuch sich gegen den Präsidenten zu stemmen, erregt fast Mitleid.

 

Dem autoritären Gehabe des Präsidenten muss sich auch Hofmarschall Kalb beugen. Stefan Diekmann als schillernder Popstar karikiert die perfide Figur mit gestelztem Gang und flippiger Kleidung.

 

Johann David Talinskis "Ferdinand" läuft besonders in den letzten Akten zur Höchstform auf. Der adelige Rebell: sportlich ambitioniert, mit musikalischen Neigungen und Absolutheitsanspruch an Luise, widersetzt sich den Anordnungen seines Vaters.  Auch gegenüber den Verführungskünsten von Lady Milfford (Karin Moog) bleibt er  standhaft.

 

Schillers Sprache dient der Charakterisierung der Figuren und der Schichten, in denen sie zuhause sind. Ihre Bildhaftigkeit ist ein wesentliches Merkmal.

Eitner-Acheampong begegnet der Schillerschen Sprache selbstbewusst. In den ersten drei Akten kombiniert sie starke Bilder mit gestischem Reichtum. Manchmal schon zu dick aufgetragen drohen sie ins Klischeehafte abzurutschen. Während die beiden letzten Akte den Fokus auf die handelnden Personen und die Art ihres Sprechens legen. Unnötige Regiemätzchen fallen weg. Die Dramatik erreicht durch die Schillersche Sprachgewalt ihren Höhepunkt. Ferdinand legt sich mächtig ins Zeug und die Inszenierung erlangt emotionalen Tiefgang. Das tut ihr gut.

 

Es gab sehr viel Beifall für das gesamte Ensemble.

 

(HA-KRU)

 

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