Musiktheater-im-Revier

La Traviata

7. 12. 2011

Der Tod kennt kein Erbarmen

 

La Traviata steht auf dem Spielplan- das Publikum strömt ins Opernhaus. So geschehen am Samstag im Musiktheater-im-Revier. Vor ausverkauftem Haus feierte die bekannte Verdi Oper Premiere. MiR-Intendant Michael Schulz hat sie neu inszeniert, Chefdirigent Rasmus Baumann (MiR) übernahm die musikalische Leitung.

 

Auszeichnung für die Verdi Oper

2010 wurde La Traviata zur beliebtesten Oper aller Zeiten gekürt. In keiner anderen Oper gibt es derart viele hinreißende Arien und Ensembles. Das Schicksal der schwindsüchtigen Edelkurtisane Violetta, die sich leidenschaftlich verliebt, rührte schon Millionen zu tränen. Denn ein Happy End gibt es nicht. Violetta ist sterbenskrank.

Typisch für das Melodrama: die dramaturgische Stringenz. Die Handlung wird aus der Perspektive der Titelheldin erzählt und verteilt sich bis auf wenige Episoden (Bälle werden veranstaltet, Stierkämpfer und Zigeuner treten auf), auf die drei Hauptfiguren: Violetta, Alfredo und Giorgio Germont (Vater des Alfredos). Konflikte werden unmittelbar ausgetragen und sind für den Zuschauer sofort nachvollziehbar.

 

Inszenierung mit historischen Kostümen

Intendant Michael Schulz hat die Inszenierung im 19. Jahrhundert angelegt. Das Leidmotiv der Oper: Die tödliche Krankheit der Heldin ist bereits in den Klängen des Vorspiels schmerzhaft erfassbar, sichtbar ist sie noch nicht. Violetta präsentiert sich in schmucker Ballrobe, Alfredo, ihr Geliebter, mal salopp, mal vornehm, wie es die gesellschaftliche Situation erfordert. Giorgio Germont, Alfredos Vater, ist m Stil des 19. Jahrhunderts gekleidet, in Frack und Pelz. Eine Gruppe von Menschen trägt unterschiedliche Kleidung. Sie  repräsentieren die Gesellschaft.

 

Das Bühnenbild hat Dirk Becker geschaffen. Ein großer, sandfarbener Quader, dreht sich und gibt den Blick frei auf einen Raum, der mit einer roten Wandbespannung dekoriert ist. Unzweifelhaft empfängt Violetta hier ihre Gäste.

 

Geld regiert Violettas Welt

Geldscheine flattern hinunter auf die Bühne. Achtlos bleiben sie liegen. Geld spielt eine wichtige Rolle in der Inszenierung.

Violetta erscheint; schön und voller Lebensfreude. Noch sieht man ihr die Krankheit nicht an. Wunderschöne Solo-Arien erklingen. Sie betört damit die illustre Gesellschaft im roten Salon. Als sie einen Schwächeanfall erleidet und anfängt zu husten ahnt man die Tragödie. Ihr Lebenslicht wird bald erlöschen.

 

Die Inszenierung legt den Fokus auf Gesellschaftskritik; das Liebesdrama tritt in den Hintergrund. Der Gesellschaft wird ein Spiegel vorgehalten, Doppelmoral und Vorurteile ins Visier genommen. Violetta wird zunächst zur Ikone stilisiert, dann fallen gelassen und zerstört. Alfredos Vater fordert den Verzicht auf seinen Sohn von ihr und verhilft damit der bürgerlichen Scheinmoral zum Sieg. Als Kurtisane gehört Violetta zu einer Randgruppe: stigmatisiert, verachtet und ausgebeutet, dem Willen Stärkerer hat sie nichts entgegenzusetzen.

 

Die Gesellschaft schaut tatenlos zu

Schultz verwendet subtile Bilder, die das Innenleben der Protagonisten transparent machen sollen. Alfredo steht am Spieltisch und wendet seinen Blick immer wieder zu Violetta hin, die abseits steht und vollkommen alleine. Menschen tragen Stühle auf die Bühne. Als stumme Zuschauer folgen sie in einer Art Wartesaal dem  Geschehen ohne nennenswerte Gefühlsregung. Violettas Leid hinterlässt keine Spuren. Nur Alfredos Vater bedauert sein Verhalten und scheint geläutert als er sich zu den Wartenden setzt. Das deutet die Regie mit dem Herunterreißen seiner Perücke vom Kopf an. Als Violetta stirbt, aufrecht stehend und allein, wird ihr Tod nicht bemerkt. Eine der beeindruckensten Szenen der Inszenierung. Dottore Grenvil (Dong-Won Seo) verkündet ihren Tod, emotionslos, fast geschäftsmäßig.

 

Hervorragende musikalische Leistung

Ein großes Lob gebührt der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Rasmus Baumann, dem Chor und Extrachor (Christian Jeub) des Musiktheaters im Revier. Mit Bravour gelingt es ihnen den typischen Verdistil mit dem unverkennbaren Tempo nachzuempfinden.

Baumann hat die Partitur Verdis sehr genau studiert und festgestellt, dass die Anweisungen des Komponisten oft nicht präzise umgesetzt werden. Der Dirigent befolgt streng die Vorgaben Verdis und tritt damit in die Fußstapfen des Großmeisters Arturo Toscanini. Ihm ist vor vielen Jahren mit dem NBC Symphony Orchestra eine viel beachtete Einstudierung der La Traviata gelungen.

 

Die Inszenierung greift auf ein großartiges Sängerensemble zurück. Überragend: Günter Papendell als Giorgio Germont, Alfredos Vater. Er brilliert mit voluminösem Gesang. Sein wohlklingender Bariton löst pure Gänsehaut aus. Das Publikum feierte ihn begeistert. Alexandra Lubchanskys Sopran ist höhensicher, klingt klar und rein. Mühelos meistert sie die Koloraturen. Als leidenschaftlichen Geliebten Violettas hätte man gerne einen strahlenden Tenorhelden gesehen. Daniel Magdal nimmt man den tragischen Liebhaber nichts so ganz ab, er gewinnt aber an Ausstrahlung im Laufe des Abends.

 

Für die Inszenierung und die musikalische Umsetzung gibt es begeisterten, lang anhaltenden Beifall.