Essen

Grillo Theater

 

Hendrik Ibsen

"Hedda Gabler"

 

Premiere: 11.05.07

 
Henrik Ibsen (1828-1903), ist einer der ganz Großen der Weltliteratur und wird als Vater des modernen Dramas betrachtet. Seine Dramen thematisieren Alltagssituationen und besitzen auch heute noch große Aktualität. Dabei wirft Ibsen einen kritischen Blick auf die bürgerliche Gesellschaft, greift Tabus auf und stellt moralische Werte zur Disposition.

 

1890 schrieb er in München das psychoanalytische Drama „Hedda Gabler." In Essen wurde jetzt die Produktion des Schauspiels Hannover unter der Regie von Christina Paulhofer aufgeführt.

 

Paulhofer konstruiert Hedda Gabler als eine vielschichtige Persönlichkeit, als eine Frau; die nicht wirklich weiß, was sie will und was sie kann. Als Tochter eines Generals übernimmt sie Wertvorstellungen und Konventionen einer privilegierten Gesellschaftsschicht und scheut jeden Skandal. Als Ehefrau des Wissenschaftlers Jorgen Tesmann wird sie mit der kleinbürgerlichen Welt konfrontiert, die sie aber strikt ablehnt. Genauso hält sie es mit familiären Bindungen. Als Merkmal seiner Kleinbürgerlichkeit zeigt die Inszenierung Tesmanns bestickte Pantoffel, die seine Tante ihm nach Hause bringt. Auch Tante Jule ist in die Kategorie „Spießbürgerlichkeit" einzuordnen. Selbst der moderne Hut ändert da nichts dran. Hedda hält Distanz zu ihr, will sie auch nicht duzen.

 

Die Abhängigkeit vom Vater lässt die Regisseurin auf verschiedene Weise deutlich werden, Hedda spielt mit Pistolen (wichtiges dramaturgisches Requisit), sie marschiert in der Generalsjacke auf und ab und handelt strategisch, als es um die Zerstörung des Verhältnisses von Thea und Levborg geht. Mit ihrem provokanten Tun assoziiert sie ihren Machtwillen. Sie will Macht über ein Menschenschicksal haben und sie will Levborg als Sieger sehen: „Mit Weinlaub im Haar."Als ihr dies nicht gelingt erschießt sie sich. „Sie will in Schönheit sterben."

 

Heddas Welt ist eine Glitzerwelt, in der sie sich langweilt und auf der Suche nach Identität ist. Das Bühnenbild zeigt einen modernen Showraum mit hellen Sitzkissen, einem beleuchteten, weißen Baldachin, einem überproportionalen großen Leuchtspiegel und einem Kleiderständer mit Exklusiv Garderobe. Es sind Statussymbole, die in einer modernen Gesellschaft anzutreffen sind, in der es um die Devise mehr „Schein als Sein" geht.

 

Die Inszenierung arbeitet Ibsens Figurenkonstellation und die Typisierungen der Charaktere detailgetreu heraus und zeigt auch die Widersprüche in Heddas Charakter sehr deutlich.

 

Hedda als gescheitete, aristokratische Ästhetizistin, Tesmann, als ehrgeiziger Wissenschaftler, der aber durchaus über positivistische Eigenschaften verfügt, sein Gegenspieler Levborg, für den Normen und Konventionen keine Rolle spielen und Thea Elvsted, die zunächst hausbacken wirkt, dann aber emanzipiert ihren Weg geht. Richter Brack, ein kalter Zyniker, der Hedda erpresst, weil sie seine Vorstellung einer Dreiecksgeschichte nicht teilt.

 

Die Regie lässt sich zum Schluss etwas Besonderes einfallen. Merry Christmas Klänge für die blutbesudelte Hedda, die im Leben nicht lieben konnte, wie übrigens auch die anderen Figuren des Stückes zu keiner Liebe fähig sind. Hedda ist nun angekommen und ein neues (geistiges) Kind wird geboren, das Buch von Thea und Levborg.

 

Das vollkommene Desinteresse an Heddas Tod, lässt auf bedrückende Weise, Parallelen zu aktuellen Ereignissen in unserer Gesellschaft wach werden.

 

Die Rollen sind hervorragend besetzt und arbeiten die Charaktere der Figuren in ihrer Abstimmung aufeinander bis in die kleinste Nuance exakt heraus, so dass man keinen Darsteller besonders herausgreifen möchte.

 

Das Publikum dankt dem Ensemble mit lang anhaltendem Beifall.

 

(Ursula Harms-Krupp)