Essen

Georg Büchner „Woyzeck"

Inszeniert von David Bösch

Premiere 6.10.2007

Mit Spannung wurde im Essener Grillo Theater die Premiere von Büchners „Woyzeck" unter der Regie von David Bösch erwartet. Seit der Spielzeit 2005/2006 ist Bösch als Regisseur in Essen verpflichtet. Zuletzt inszenierte er mit großem Erfolg „Liliom" von Franz Molnàr.

Büchner starb 1837 mit nur 23 Jahren an Typhus. Die Story um „Woyzeck" geht auf einentatsächlich stattgefundenen Mordfall in Leipzig zurück. Das Dramenfragment wurde von Büchner in nur 5 Wochen geschrieben.

 

Woyzeck und Marie haben ein gemeinsames Kind, sind jedoch nicht verheiratet. Um den kargen Verdienst aufzubessern, stellt sich Woyzeck für medizinische Experimente zur Verfügung und darf sich über einen längeren Zeitraum nur von Erbsen ernähren. Daneben pflegt er noch einen verkrüppelten Hauptmann, der einen bösartigen und zynischen Charakter hat und ihm moralische Vorhaltungen macht, weil Woyzeck ein uneheliches Kind hat. Als Marie sich in den Tambourmajor verliebt und mit ihm ein Verhältnis beginnt, gerät Woyzecks Welt völlig aus den Fugen. Er wird von dem Doktor und dem Hauptmann verspottet und der Tambourmajor schlägt ihn brutal zusammen. Immer stärker wird er von inneren Stimmen heimgesucht, die ihm befehlen er solle Marie töten.

 

Dass es ein großer Theaterabend werden würde, bereits der Auftakt ließ es vermuten. Eine große männliche Gestalt, die eine Lichterkette um den Körper geschlungen hat, bläst Zigarettenrauch in den Zuschauerraum mit den Worten: "Meine Herren! Sehen Sie die Kreatur, wie sie Gott gemacht." Woyzeck, verkabelt und bekleidet mit einem silbrig glänzenden Overall, der die Assoziation eines Astronauten weckt, steht im Zentrum der Bühne. Sierk Radzei spielt den Woyzeck und ist in der Rolle überragend. Er ist die erbarmungswürdige Kreatur, die dem Zynismus und den Perversitäten des Experimentators gnadenlos ausgeliefert ist. ("Woyzeck, er hat die schönste aberratio mentalis partialis, zweite Species, sehr schön ausgeprägt. Woyzeck, er kriegt Zulage.")

 

Düstere Erinnerungen werden geweckt, Parallelen zu den menschenverachtenden, grausamen Experimenten des KZ Arztes Mengele, während des Nazi Regimes können gezogen werden..

 

Bösch konstruiert seinen Titelheld als einen Menschen mit liebenswürdiger und warmherziger Ausstrahlung und fast kindlicher Naivität. Maries Abwendung von ihm, stürzt beide in die Katastrophe. Nicht 30 Silberlinge sind es, für den sie ihn verrät, sondern sie betrügt Woyzeck für ein Paar glitzernde Ohrringe mit dem glatzköpfigen, gewalttätigen und gefühlslosen Tambourmajor (Nicoloa Mastroberadino). Nadja Robin ist als Marie absolut überzeugend und anrührend. Perfekt in Mimik und Gestik, besonders glaubhaft sind ihre Bemühungen dem Tambourmajor Zärtlichkeit beibringen zu wollen.

 

Woyzeck ist immer wieder wegen seiner Modernität gelobt worden. Das Stück zeigt das Leiden des Menschen in einer unmenschlich gewordenen Welt und weist hin auf eine Wirklichkeit, die von der fundamentalen Einsamkeit des modernen Menschen gekennzeichnet ist. Um dies zu verdeutlichen, schafft der Regisseur eindrucksvolle Bilder, z.B. das Sterntaler Märchen. Kann sich der Mensch aus Isolation und Trostlosigkeit befreien? Sonne, Mond und Sterne als metaphysische Trostspender werden jedenfalls als Illusion entlarvt.

 

Das gesamte Ensemble bietet eine hervorragende Leistung und wird vom Publikum mit lang anhaltendem Beifall bedacht.

 

 (Ursula Harms-Krupp)