DIDO UND AENEAS

Oper in drei Akten von Henry Purcell
Libretto von Nahum Tate nach der „Aeneis“ von Vergil
Aalto-Theater Essen
Premiere: 2. Januar 2022

Ben Baur inszenierte für das Aalto Theater in Essen die Barockoper „Dido und Aeneas“ von Henry Purcell. Szenisch und musikalisch überzeugte die Aufführung. Das Ensemble zeigte sich von seiner besten Seite und erhielt viel Beifall vom Publikum.
Purcells einzige Oper wurde vermutlich 1688 oder 1689 in London uraufgeführt. Der genaue Zeitpunkt ist strittig, eine frühere Uraufführung bei Hofe möglich. Die Oper basiert auf Vergils berühmten Epos „Aeneis“. Geschildert werden die Irrfahrten Aeneas, der aus dem zerstörten Troja flieht und auf Geheiß der Götter in Rom ein neues Troja gründen soll. In Karthago nimmt ihn die bezaubernde Königin Dido gastfreundlich auf und er verliebt sich in sie. Dido zögert, seine Liebe zu erwidern. Sie hat ihrem verstorbenen Mann ewige Treue geschworen. Die beiden werden ein Paar, doch ihr Glück wird durch den bösartigen Plan der Zauberin zerstört. Eine Tragödie bahnt sich an.
Unsere europäische Kulturgeschichte kennt zahlreiche berühmte Liebespaare, deren große Liebe tragisch endet. So ist es auch bei Dido und Aeneas. Auch ohne Kenntnis des historischen Stoffes lässt die Inszenierung von Beginn an ahnen, diese Liebesgeschichte geht nicht gut aus. Düster und dunkel hat Ben Baur das Bühnenbild gestaltet. In tiefschwarze Gewänder gehüllt, wandern weibliche Gestalten allein oder in kleinen Gruppen langsam über die mit Asche bedeckte Bühne. Punktuell brechen Lichter die Dunkelheit und setzen stimmungsvolle Akzente. Betörend schön mit einem Strahlenkranz auf dem Kopf erscheint Dido. Übergroß wird ihr Schatten an die Wand projiziert. Majestätisch schreitet sie bis zum Bühnenrand und fängt zu singen an. Wuchtig erklingt der Chor, entfaltet seine ganze Macht. Ein ästhetisch zutiefst anrührender und emotionaler Moment. Die Szene hat den Charakter eines Oratoriums. Mit nacktem Oberkörper, blutüberströmt und gezeichnet von grausamen Kämpfen, stolpert Aeneas auf die Bühne. Ein wilder Held, ein Fremdkörper, der so gar nicht zu Dido passen scheint, dessen Aussehen Brutalität assoziiert. Ein Handtuch wird ihm gereicht. Doch alles Rubbeln nutzt nichts, das Blut lässt sich nicht wegwischen.
Die beeindruckende Inszenierung offeriert menschliche Leidenschaften, zeigt Kummer und Verzweiflung der Protagonisten. Frauen dominieren die Handlung. Dido verliert bei all ihrem Unglück nicht an Haltung, zeigt Stärke und Entschlossenheit als Aeneas sie verlassen will. Belinda demonstriert Mut, wagt es der Königin Ratschläge zu erteilen. Der trojanische Held nimmt eher eine untergeordnete Stellung ein und fügt sich dem Befehl der Götter.
Das Motiv des Doppelgängers führt die Regie ein, um die dunkle Seite Didos zu illustrieren. Seit der Romantik erfährt der Doppelgänger in der Literatur eine Neubelebung. Königin und Zauberin sind in der Inszenierung identisch, treten mit gleicher Kleidung und Strahlenkranz auf und sind optisch kaum zu unterscheiden. In der Zauberin offenbaren sich negative Charaktereigenschaften Didos. Mit bösartiger List spinnt sie eine hinterhältige Intrige, paktiert mit Hexen, plant Vernichtungen um jeden Preis. Deutlich wird: für Dido und Aeneas haben die Götter kein Glück vorgesehen.
Die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Andrea Sanguineti vermögen es Purcells eindringliche Musik mit immenser Ausdruckskraft und rhythmischer Prägnanz zum Strahlen zu bringen. Eindrucksvoll gestaltet Jessica Muirhead (Sopran) die Titelrolle der Dido, glänzt in der Interpretation des Lamentos im dritten Akt, der ihren großen Schmerz und ihre Verletzlichkeit offenbart. Bettina Ranch (Mezzosopran) überzeugt in der Rolle der Doppelgängerin. Mit einem kraftvollen Bariton imponiert Tobias Greenhaigh. Auf hohem Niveau der Aalto-Opernchor (Patrick Jaskolka). Christina Clark (Hexe und Hofstaat) und Giulia Montanari (Belinda und Hexe) beeindrucken in ihren Doppelrollen.
Begeistert feiert das Publikum die schlüssige Inszenierung und die brillante musikalische Darbietung.

Ursula Harms-Krupp
Gesehen am 16.01.2022.