Wuppertal

 

Andorra" (Max Frisch)

Premiere: (28.02.07)

 

Schauspielhaus Wuppertal

 

Im Publikum sitzen viele junge Leute und Schulklassen, die interessiert der Aufführung folgen. Besonders Frederik Leberle, als Witzerzählender und tanzender Andri, kommt bei ihnen gut an. Andorra ist überall, weil es überall Menschen gibt, die denken und handeln, wie die Andorraner es tun und es Menschen gibt, die darunter zu leiden haben und sogar getötet werden, so wie es mit Andri geschieht.

 

Andorra ist das Drama eines Außenseiters. Es ist die Geschichte des jungen Andri, der als der „Andere", als „Jude" stigmatisiert wird. Sein Alltag ist geprägt von Demütigungen, schlimmen Erniedrigungen und Ausgrenzungen. Mit seinen Versuchen durch Anpassung an die Umwelt, sowie durch Leistung Anerkennung und damit Aufnahme in die Gesellschaft zu erreichen, scheitert er. Andri liebt Barblin, die Tochter seines Pflegevaters, des Lehrers, und will sie heiraten. Doch dieser verweigert vehement die Zustimmung, denn Andri ist in Wahrheit sein leiblicher Sohn. Obwohl sein Pflegevater Wahrhaftigkeit stets als oberste Maxime menschlichen Handelns gepredigt hatte, muss er nun seine größte Lebenslüge beichten.

 

Andri, der nie ein Außenseiter sein wollte, der um jeden Preis dazu gehören wollte, der aber immer ein Gehetzter war, hört nicht auf seinen Vater, als dieser verzweifelt beteuert: „Andri glaub mir doch, du musst es mir glauben, ich sage dir die Wahrheit, du bist mein Sohn, du bist kein Jude". Die Wahrheit, die Wahrheit, wie viele Wahrheiten habt ihr denn? bricht es aus Andri heraus Er nimmt die Rolle an, die ihm die Gesellschaft auferlegt hat. Andri will fortan Jude sein.

 

Kathrin Sievers verlegt Andorra in die Gegenwart. Historischer Judenhass und Migrationsproblematik. treffen aufeinander. Türkenwitze und dröhnende Heavy Metal Musik bilden den Auftakt der Inszenierung. An den Wänden die Wortpaare, Innovation, Tradition, Lebensqualität, und Sicherheit.

 

Das Podest auf der Bühne mit den weißen Wohnzimmermöbeln weckt die Assoziation eines Ausstellungsraumes, in dem etwas vorgeführt werden soll und vorgeführt werden die Andorraner. Sie symbolisieren eine Gesellschaft, die sich von ihren Vorurteilen nicht lösen kann, die nichts dazu gelernt haben, denn jeder der auftretenden Personen zeigt auf typische Weise Merkmale eines ideologischen verengten Bewusstseins.

 

Mit den Musikeinspielungen, ohrenbetäubend laut, dann wieder leise einschmeichelnd, verstärkt Sievers klangvoll den Eindruck einer Gesellschaft, in der Aggressivität, Brutalität und Fremdenfeindlichkeit zunehmen und das Verständnis füreinander abnehmen.

 

Ältere Menschen und Jugendliche sind gleichermaßen begeistert von der Aufführung. Standing Ovation für das Ensemble.Wie es hier gezeigt wird, so ist es in unserer Gesellschaft wirklich, bemerkte ein Schüler während der Pause. Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

 

(U: Harms-Krupp)