Essen

 

»Hans Heiling«

Romantische Oper in einem Vorspiel und drei Akten von Heinrich Marschner

Text von Eduard Devrient

Premiere: 24.02.2018

Musikalische Leitung: Frank Beermann

Inszenierung: Andreas Baesler

 

„Hans Heiling“ gehört heute zu den eher selten gespielten Opern. 1833 wurde sie mit großem Erfolg uraufgeführt und gilt bis jetzt als Schlüsselwerk deutscher Kulturgeschichte. In der Musikgeschichte ist Marschner als wichtiger Mittler zwischen Carl Maria von Weber und Richard Wagner eingegangen. Zuletzt war die Oper 2015 in Wien und in Regensburg zu sehen. Das Aalto-Theater setze sie im Rahmen der TUP-Festtage KUNST auf den Spielplan. Das diesjährige Motto „HeimArt“, thematisiert Vergangenheit- und Strukturwandel des Ruhrgebietes. Die Schließung der letzten Zeche Prosper-Haniel Ende 2018 in Bottrop, bietet aktuell Anlass für Diskussionen.

 

Marschner ließ sich für seine Komposition von einer böhmischen Sage inspirieren. Der Zauberer Hans Heiling verliebt sich unglücklich in eine Sterbliche und übt Rache durch Versteinerung eines kompletten Hochzeitszuges. Die Steinformation ist als »Heiling Felsen, Nähe Karlsbad « in den Volksmund eingegangen.

Der Komponist wandelte die Geschichte ab. Hans Heiling wird zum König der Erdgeister, der sich in eine Menschenfrau verliebt und sie heiraten will. Der Protest seiner Mutter, der Königin, nutzt nichts. Der Geisterfürst verlässt sein Reich und macht sich auf in die Menschenwelt zu seiner Auserwählten. Er will Anna heiraten. Man ahnt es gleich, die Story geht nicht gut aus.

 

Als ehemaliger Folkwangstudent und Chefregisseur am Musiktheater in Gelsenkirchen kennt Andreas Baesler das Ruhrgebiet besonders gut. Möglicherweise kam ihm deshalb die Idee, das Werk als eine Ruhrgebietsoper zu inszenieren. Es ist seine vierte Regie für das Aalto.

 

Baesler verlegt die Handlung in die frühen 60er Jahre, damals drohte den ersten Zechen die Stilllegung. Auf großen Transparenten ist zu lesen: »Vom Zechensterben bedroht«. Gleich sechs Zechen werden erwähnt.

Zu Beginn, während der langen Ouvertüre, zeigt die Regie eine Videoeinspielung, ein Lehrstück, indem es ums Ruhrgebiet und die Kohlenförderung geht.

Die fleißig schaffenden Erdgeister (Chor) werden in der Inszenierung zu Grubenarbeitern, die im Schweiße ihres Angesichtes schuften. Das Regieteam stattet sie mit originaler Bergwerkskleidung aus. Selbst die obligatorischen Grubenlampen fehlen nicht (Kostüme Gabriele Heimann).

 

Baesler hält noch eine Überraschung fürs Publikum bereit. Er macht aus dem König der Erdgeister einen Industrieboss, aus Heiling wird Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, den als einsam und unglücklich geltenden Chef des Krupp Imperiums. In der Inszenierung übernimmt Heiko Trinsinger die nicht leichte Titelrolle. Er meistert sie mit Bravour.

Parallelen zwischen Krupp und Heiling sind durchaus vorhanden: Beide sind erfolgreiche Kapitalisten: für Heiling mühen sich die Erdgeister, für Alfried die Krupparbeiter, beide gehen nicht standesgemäße Verbindungen ein, die jedoch scheitern, beide haben starke Mütter.

 

Trotz teurer Geschenke verliert Heiling seine Braut an den jungen Draufgänger Konrad, Mutter Gertrude wünscht sich zwar den Chef der Krupp Dynastie als Schwiegersohn, doch Anna lässt sich vom wesentlich älteren Alfried und seinem Reichtum nicht blenden. Heiling ist ihr zunehmend suspekt und schließlich entdeckt sie sogar sein Geheimnis. Konrad hat Anna lange schon im Visier und gewinnt ihr Herz. Für Heiling bleibt letztendlich nur Rache.

Die Ähnlichkeit zwischen Geister- und Menschenwelt ist frappant. Hier - wie da -  will uns wohl die Regie sagen, geht es um Liebe, Rache und ums Geld.

 

Die ungewöhnliche Inszenierung fasziniert mit interessanten Bühnenbildern (Harald B. Thor), mit Originellem (Ruhrgebietsplatt, Bergwerkorchester Consolidation) und Kostümen von Gabriele Heimann (Zeitlos-schlicht). 

Alfrieds Arbeitszimmer in der Villa Hügel hat Thor detailgenau nachgebaut. Das Regieteam macht zwar auf die Klassenunterschiede zwischen Anna und Heiling aufmerksam: Heilings teure Geschenke, sein elegantes Appartement im Unterschied zu Annas Zuhause (einfaches Mobiliar, bürgerliches Milieu), doch eine kritische Reflexion findet nicht statt.

Zum Fest der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, schleppen die Gäste die »Heiligenstatur« an. Der Tannenbaum im Hintergrund weist auf ihren Geburtstag (4.12.).

Die Handlung wird immer wieder unterbrochen und es wird im Ruhrpottdialekt schwadroniert. Ob es gefällt ist Geschmackssache. Knebel Fans gibt es ja genug, doch gehen die auch in die Oper? Zum Regiekonzept Baeslers passt der Auftritt des Bergwerkorchesters Consolidation mit dem Steigerlied: „Glück auf, der Steiger kommt« .Eine originelle Idee.

 

Die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Harald Beermann glänzen mit einer hochkarätigen Interpretation der Marschner Partitur. Überzeugend der Chor, von Jens Bingert einstudiert. Für sängerische Höhepunkte sorgt das Ensemble mit Heiko Trinsinger in der Titelrolle (kraftvoller Bariton)), Jessica Muirhead als Anna (vortrefflich mit leuchtendem Sopran) Bettina Rauch (profiliert sich in der Rolle der besorgten Mutter Gertrude) und Rebecca Teem als Königin der Geisterwelt (Mezzo mit stimmlicher Schärfe). Jeffrey Dowd in der Rolle des Konrads merkt man in den Höhen (ab und zu) die Anstrengung an.

 

Fazit

Eine Oper für Essen und das Ruhrgebiet mit Wiedererkennungswert.

(HA-KRU)