Essen

Grillo Theater

 

Effie Briest
Premiere 7. 11.2008


Theodor Fontane wandte sich in seinen Romanen und Novellen gegen die starren Konventionen seiner Zeit im ausgehenden 19. Jh. Wir haben diese Zeiten längst überwunden und andere Probleme zu bewältigen. Was also kann uns die Geschichte der Ehebrecherin Effi Briest heute noch sagen?

 

Effi ist ganz ein Kind ihrer Zeit und ihrer Schicht. Sie hält Wohlstand und gesellschaftliche Stellung für Lebensglück und akzeptiert 17-jährig einen Ehemann, der ihr dies zu garantieren scheint. Obwohl dieser sehr viel älter ist als sie selbst. Ihr Mann und weitere Personen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, fühlen sich an die gelernten Konventionen eng gebunden.

 

So ist es unvermeidbar, dass das Schicksal seinen Lauf nimmt. Ihr Ehemann erschießt ihren Liebhaber im Duell, obwohl der von ihm zufällig entdeckte Ehebruch mehr als 6 Jahre zurückliegt. Der mahnende Einwand von Freund und Sekundant Wüllersdorf: „Wenn Sie den Liebhaber totschießen, ist Ihr Lebensglück sozusagen doppelt hin, und zu dem Schmerz über empfangenes Leid kommt noch der Schmerz über getanes Leid." verfehlt zwar nicht seine Wirkung, doch letztendlich rückt Effis Ehemann nicht ab von seinem Vorhaben. Schließlich geht es um seine Ehre und um seine Wahrnehmung, die ihn nicht anders handeln lassen kann. „Man ist nicht bloß ein einzelner Mensch, man gehört dem Ganzen an, und auf das Ganze haben wir beständig Rücksicht zu nehmen, wir sind durchaus abhängig von ihm."

 

Cilli Drexel und Olaf Kröck zeigen die Geschichte in einer modern inszenierten Bühnenfassung, die die wesentlichen Elemente der literarischen Vorlage wiedergibt, teilweise in Prosa. Dem Ensemble gelingt es hervorragend die einzelnen Figuren des Stückes zu charakterisieren. Die sparsame Bühnenausstattung findet schöne, symbolische Bilder, die das Geschehen deutlich machen. Sehr subtil stellt Nadja Robinè die Wandlung von der glücklichen Kindfrau zur unglücklichen Ehefrau dar, die an den gesellschaftlichen Konventionen zerbricht. Zu Beginn der Inszenierung verbringt sie noch unbeschwerte Kindertage unter dem voll in Blüte stehenden Apfelbaum. Doch mit dem Abschütteln der rosa Blüten ist auch das Ende für Effi gekommen. Die heile Welt ist für immer dahin.

 

Die Welt der „Effi Briest" kann nur erahnt werden, denn die Protagonisten des Stückes sprechen wenig über ihr Seelenleben. Nur durch Beobachtung von Mimik und Gestik gelingt ein Annähern an die Personen. Pedantisch rückt Baron von Innstetten die Sessel zurecht und verwindet es kaum, dass Effi den Kaffee verschüttet. Werner Strenger verkörpert sehr authentisch die Rolle des übergenauen Ehemanns. Effi hat ein inniges, vertrauensvolles Verhältnis zu ihrer Mutter und auch diese scheint ihrer Tochter sehr zugetan. Vorsichtig bereitet sie Effi auf das zukünftige Leben vor. Ihren Andeutungen kann man entnehmen, dass es keines falls so rosig aussehen wird, wie ihr bisheriges. Judith von der Werff zeigt die Mutter-Tochter-Beziehung äußerst differenziert.

 

Die seelische Erstarrung der Handelnden, ihr Verharren in gesellschaftlichen Konventionen arbeitet die Inszenierung sehr deutlich heraus. Die Verwendung von Masken als sichtbares Zeichen für eine Welt, in der das eigene Selbst versteckt und verhüllt wird um dem gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen, kann als weiteres Indiz zur Darstellung gesellschaftlichen Zustände gewertet werden. Effi ist zur Außenseiterin geworden, von der Gesellschaft geächtet. Zum Schluss hebt sie die letzten zartrosa Blüten auf. Der Baum steht nur noch als Gerippe dar. Besser hätte man es nicht ausdrücken können.

 

Ein lohnender Theaterabend! Lang anhaltender Beifall für das großartige Ensemble

 

(GBW)