Buchempfehlung

MIN JIN LEE

Ein einfaches Leben

Roman, 550 S.dtv 2020, München,

ISBN 978-3-423-14750-7

 

Schon auf der Umschlagseite empfiehlt Barack Obama „eine überwältigende Geschichte über Widerstandsfähigkeit und Mitgefühl“. Das trifft in vollem Umfang zu. Wir erleben die Geschichte einer koreanischen Familie im Zeitraum von 1910 – 1989. Eindrücklich schildert Min Jin Lee im ersten Buch, das den Zeitraum von 1910 – 1933 umfasst, das Leben von Yangjin , die in ärmsten Verhältnissen in Korea aufwächst. Die Lebensverhältnisse sind geprägt durch die Annektion Koreas durch Japan. Sie heiratet; ihr 4. Kind Sunja überlebt und kann erwachsen werden. Sunja verliebt sich in „den Falschen“. Die nicht wieder gut zu machende Schande führt Sunja nach Osaka/Japan, wo sie mit ihrem Mann und zwei Söhnen das Leben der in Japan geächteten koreanischen Einwanderer führt. Im zweiten Buch, das den Titel „Mutterland“ trägt und die Zeit von 1933 – 1962 schildert, erleben wir Sunjas Weg und den ihrer Söhne Noa und Mozasu, die – jeder auf seine Weise – mit den Verhältnissen in Japan zurechtkommen müssen. Im dritten Buch mit dem Titel „Pachinko“ (= japanischer Geldspielautomat) kommt die Familie zwischen 1962 – 1989 trotz der für koreanische Einwanderer immer noch widrigen Verhältnisse zwar einigermaßen zu Wohlstand, aber sie können sich nach wie vor nicht so wie gewünscht in der japanischen Gesellschaft etablieren. „Heimat“ ist und bleibt ein diffuser Begriff, die Suche nach der jeweils eigenen Identität gestaltet sich schwierig. Die äußeren politischen Bedingungen bestimmen extrem die Lebensläufe, aber auch die kulturellen Werte, die über Erziehung weitergegeben werden. Unveränderlich erscheinende Wertvorstellungen und Normen prägen das Leben aller Beteiligten. Die Koreanerin Min Jin Lee wurde in Seoul/Korea geboren, wuchs aber in USA auf. Sie kann uns, die wir ja kaum Einblick in koreanische Lebensverhältnisse haben, wenig über die Geschichte des Landes wissen und darüber hinaus aus völlig anderen Wertvorstellungen heraus urteilen, eine sehr gute Vorstellung darüber vermitteln, was das Leben der geschilderten Menschen geprägt hat. Es kann uns durchaus interessieren, ein authentisches Beispiel darüber zu lesen, was es bedeutet, ausgegrenzt zu sein, keine Chance auf Integration zu bekommen oder – alternativ – sich soweit verbiegen zu müssen, dass das Leben erträglich wird. Es ist auch ein Buch über Leidensfähigkeit und die Suche nach Identität unter sich ständig verändernden Lebensbedingungen.

 

GBW/ 8.05.2020