Essen

Philharmonie (28.04.2024)

Diana Damrau "Liebe, du Himmel auf Erden"

Melodien und Duette aus der Glanzzeit der Operette, dazu herrliches Frühlingswetter. Kann es etwas Schöneres geben? Herzlich begrüßte Intendantin Marie Babette Nierenz das Publikum in Essen.  „Liebe, du Himmel auf Erden“, hieß das Motto des Konzertes. Die bekannte und mehrmals ausgezeichnete Sopranistin "Diana Damrau " lockte damit die Operettenfreunde in die Philharmonie. Betörende Walzerklänge, beeindruckende Orchesterstücke und feuriger Csárdás versprachen einige unbeschwerte Stunden.

Auf dem Programm standen beliebte Werke von André Messager, Emmerich Kálmán, Franz Grothe, Franz Lehár, Jacques Offenbach, Johann Strauß und Paul Lincke, darunter viele Ohrwürmer, oft gehört und nie vergessen, perfekt präsentiert von Diana Damrau, dem österreichischen Tenor Nikolai Schukoff und der NDR-Radiophilharmonie unter der Leitung von Dirk Kaftan.

Die wundervolle Klangreise führte in Metropolen, in denen die Operette einst ihre großen Erfolge feierte: Berlin, Paris, Wien. Los gings mit der Ouvertüre zur Fledermaus, gleich danach schwärmte Damrau im farbenfrohen Blumenkleid mit dem Lied der "Anna Elisa" aus "Paganini" von der "Liebe und dem Himmel auf Erden". Der sich aber schnell mal verfinstern kann, wenn Untreue oder Eifersucht im Spiel ist und dann aus Liebe Leid wird.

Die brillante Belcanto Sängerin ist auf internationalen Opernbühnen zuhause und auch mit der Kunstform der Operette bestens vertraut. Sie ist eine exzellente Kennerin dieses Fachs und stellt die vielen Facetten ihres Könnens immer wieder erneut unter Beweis. So ist sie kokett und witzig, plaudert amüsant und ist manchmal ironisch, präsentiert sich als beschwipste "Périchole" oder versprüht als "Marie" aus "Frau Luna" Klangsinnlichkeit, wenn sie von "Schlössern, die im Monde liegen", träumt oder eine Melodie aus der lustigen Witwe summt: “Lippen schweigen, `s flüstern Geigen ... ". Ihre prachtvolle Robe wechselt sie einige Male, zuletzt erfreut sie in einem leuchtend roten Abendkleid.

An ihrer Seite der Heldentenor Nikolai Schukoff. Mit seiner Interpretation von Kálmáns „Komm Zigan“ reißt er das Publikum mit, weckt Neugierde als Lebemann im "Maxim". Verheißungsvoll seine Einladung ins „Chambre séparée“. Wer kann da schon widerstehen?

Eine glänzende Leistung liefert das Orchester ab. Es begleitet die Beiden mit höchster Präzision, mal trumpft es rasant auf, dann wiederum beeindruckt es durch leise und zarte Töne.

Das begeisterte Publikum feiert das Ensemble und freute sich über drei Zugaben.


 

 

 

Starlight Express in Bochum

Auch nach 35 Jahren hat die Begeisterung für Starlight Express nicht abgenommen. Die mitreißende Show mit atemberaubender Akrobatik, toller Musik und einem faszinierendem Lichtspiel hat nichts an Attraktivität verloren. Wenn die Züge rasant durch die Reihen sausen, angefeuert von den lautstarken  Kommentaren  und der klangvollen Musik leidet und fiebert das Publikum mit. Denn alle mögen Rusty, die liebenswerte Dampflok. Und wünschen sich, dass sie gegen ihre mächtigen Gegner siegen kann und zudem das Herz der schönen Pearl, des Erste-Klasse-Waggons gewinnen wird. Von Beginn an springt der Funke zwischen Künstlern und Publikum über.

 Wuppertal

 

Evita

Musical von Andrew Lloyd Webber

Libretto von Tim Rice

Regie: Aurelia Eggers

 

Premiere: 5. Oktober 2013

 

Als Eva Perón 1952 im Alter von nur 33 Jahren an Krebs starb, trauerte ganz Argentinien. Wegen ihrer Fürsorge für die Armen war sie im Volk sehr beliebt. An der Seite von Argentiniens Diktator Juan Perón führte sie als Präsidentengattin ein glamouröses Leben. In Wuppertal ist "Evita" jetzt als Musical zu erleben. Das Leben der Protagonistin wird in der Inszenierung keineswegs nur verherrlicht, deutlich herausstellt werden Brüche und problematische Seiten ihres Charakters.

 

Spontane Frage in Pausengesprächen: War das wirklich Ché Guevara, der da Evita begeleitet? Dem Bild, das gemeinhin von ihm existiert, Che aus bürgerlichem Hause, der sich schon früh zum Revolutionär entwickelt, entspricht diese Rolle gar nicht. In diesem Stück ist er eher ein eleganter und geschmeidiger Sonny-Boy, leicht amerikanisiert. Dass er sich danach zu dem Revolutionär entwickelt, dessen Bild man auch heute noch im Kopf hat, ist schwer verständlich. Dieses doch etwas fragwürdige Bild hatte der in Wuppertal geborene Sänger Patrick Stanke angenommen und verkörperte es sicher singend und tanzend.

 

Ungewohnt auch, dass die Erwartungen an ein Musical nicht ganz aufgingen. Denn aus Evita ist fast eine Oper geworden,die das Leben der Protagonistin keineswegs verherrlicht, sondern auch gerade ihre problematischen Seiten deutlich herausstellt. So hatten es Textdichter Tim Rice und Komponist Andrew Lloyd-Webber auch geplant. Also keine Sprechszenen, die dann in ein Lied oder eine Tanzszene münden, sondern durchkomponierte Musik, gesprochen wird kaum. Lloyd-Webber verwendet etliche Mittel, die eher aus dem klassischen Musikbereich kommen, auch dem neueren. So werden die am Anfang erklingenden scharfen Dissonanzen an wichtigen tragischen Stellen mehrfach wiederholt. Weiter bedient er sich unterschiedlichster Musikstile. Das geht vom überdrehten Tango über mehr oder weniger verfremdete Märsche bis zum Rock, es gibt unendliche Repetitionen (Perón) im Sprechchor und sogar Stellen, die an ein Opernrezitativ erinnern. Absolut unspektakulär und für ein Musical unerwartet ist auch der abrupte Schluss.

 

Insofern haben die Sänger der einzelnen Partien neben musicaltypischen Stellen durchaus schwierige Passagen zu bewältigen, die in Richtung Oper gehen. Das wurde meiner Ansicht nach hervorragend bewältigt, und die gelegentlich geäußerte Kritik, die Mitglieder des Wuppertaler Opernensembles sängen zu opernhaft, kann ich nicht nachvollziehen. Eher zeigten sie etliche Facetten ihrer Bandbreite, an den richtigen Stellen präzise eingesetzt. Da sie eine Woche vorher schon in der „Fledermaus“ mit noch weitergehenden Mitteln brilliert hatten, wurde deutlich, was sie alles können.

 

Die vier SängerInnen des Ensembles: Boris Leisenheimer als schmieriger Tangosänger, Annika Boos als abgelegte Liebhaberin Peróns mit nur einem Song, der aber sehr überzeugte; Olaf Haye machte sängerisch und darstellerisch deutlich, dass und wie er von seiner Frau gesteuert wurde. Schließlich machte Banu Böke als Evita hervorragend die Ambivalenz der Hauptperson deutlich, Höhepunkt war ihr Song „Don´t cry for me, Argentina“ zu Beginn des zweiten Teils.

 

Dieses Lied – und das ist auch ein opernhaftes Element – kommt übrigens mehrfach vor, mit unterschiedlichen Texten, gleich am Anfang als pseudoreligiöse Litanei, und auch Motive daraus werden immer wieder aufgegriffen.

 

Die Leistungen von Patrick Stanke und den vier Mitgliedern des Opernensembles waren eingebettet in eine reife Ensembleleistung (Inszenierung Aurelia Eggers). Dazu gehören Chor und Extrachor, die nicht nur den mitunter nicht einfachen Gesangspart (viele Stellen ohne Instrumentalbegleitung) exzellent bewältigten, sondern auch die Schauspiel- und Tanzszenen. Erfreulich, dass auch der Kinderchor der Bühnen mit Gesang und vielfältigen Aktionen einbezogen war (alle Chöre einstudiert von Jens Bingert)

 

Hörbar waren auch Engagement und Vergnügen im Orchester (Leitung Tobias Deutschmann), dessen Instrumentarium durch Drumset, E-Gitarre und Keyboard erweitert war. Auch harfen- und cembaloähnliche Klänge kamen aus dem Orchestergraben, besondere Virtuosität zeigt der Percussionist.

 

Schließlich ist noch das bewegliche Bühnenbild (Jürgen Lier) bemerkenswert. In einem angedeuteten Kinosaal werden mehrere Ebenen und Leinwände bewegt, auf denen historische Filmausschnitte oder vorher produzierte Filme die Wirkung der einzelnen Szenen verstärken ( die repräsentative Treppe, die das Ehepaar Perón hinabschreitet, ist übrigens die Treppe im Kronleuchterfoyer). Und Achtung: das Bild Evitas auf der Leinwand blinzelt!

 

Fritz Gerwinn

 

Info/Karten

 

www.wuppertaler-buehnen.de

 

Weitere Aufführungen: 13., 14. November 2013, 10., 11., 12., 31. Dezember, 10., 11., 12., 31. Januar 2014, 1., 28., Februar, 1., 2. März