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Der Prozess (Franz Kafka)
Um das Ende vorwegzunehmen: rhythmischer, langdauernder und begeisterter Applaus belohnt die fünf Schauspieler und ein junges, sehr kreatives Team für diese Adaption von Kafkas Roman.
Die Parabel „Der Prozess“ (geschrieben vor 1920, veröffentlicht nach seinem Tode 1925) beschreibt die Existenzbedingungen des Menschen als ein auswegloses Dasein. Der Mensch ist von Anbeginn zum Tode verurteilt. Gleich am Anfang der Inzenierung ist eine schöne Metapher zu sehen: die Menschen werden aus dem gleißenden Licht ins Leben geworfen und gelangen auf die schiefe Ebene des Lebens, die mit fortschreitendem Prozess immer kleiner wird. Josef K. erfährt am Morgen seines 30. Geburtstages, dass er verhaftet ist. Es musste ihn jemand verleumdet haben, denn er hatte nichts Böses getan. Von nun an durchläuft er einen geheimnisvollen Prozess, während dessen menschliche Verhaltensweisen und Schwächen sein anscheinend unabwendbares Schicksal bestimmen. Alles was geschieht – und das ist laut Programmheft das eigentliche Thema dieser Aufführung –„ scheint sich K. zu entziehen, sich ihm und seiner Beharrlichkeit zu verweigern …. als ob diese Ereignisse nicht passieren dürften. Was geschieht, geschieht nur aufgrund des Tuns desjenigen, dem es geschieht.“ Josef K. kann sich zwar einerseits frei bewegen, muss aber andererseits versuchen, seinen Prozess zu beeinflussen, das drohende Urteil abzuwenden. Die Regeln, nach denen sein Leben abläuft, sind ihm nicht bekannt. Einem System von Über- und Unterordnung versucht er entgegen zu treten, aber anscheinend ohne jede Aussicht auf Erfolg. Jeder Versuch einer Richtigstellung verkehrt sich in ein nicht intendiertes Ergebnis: die relativ geringen Verfehlungen seiner Wächter werden zwar angezeigt, führen aber nur zu deren Bestrafung durch „den Prügler“: „ Ich bin zum Prügeln angestellt, also prügle ich!!!“ Willfährigkeit, Dienstfertigkeit, Unterwürfigkeit finden sich auf jeder Ebene des Rechtssystems, der wohlmeinenden Helfer und Unterstützer, der Kirchendiener, der im Dienste des nebulösen „Gesetzes“ stehenden Beamten und erschüttern Josef K.‘s
Die Rollen der vielen symptomatisch auftretenden Gestalten werden von fünf Schauspielern bewältigt. Jörg Malchow in der Hauptrolle, sowie Johann David Talinski, Axel Holst, Thomas Büchel und Floriane Kleinpaß können durch ihre Mimik und Gestik begeistern und so manchen Lacher provozieren, der dem Zuschauer allerdings gleich anschließend im Halse stecken bleibt. Besonders Jörg Malchow imponiert in der Rolle des Prokuristen und Karrierebeamten Josef K., dem es an Selbstgefälligkeit und Arroganz zunächst nicht zu mangeln scheint. Das feine Nadelstreifen-Sakko assoziiert den korrekten Mitarbeiter der Bank. Authentisch gelingt es Malchow die typischen Charakterzüge und die Verhaltensweisen Josef Ks offen zu legen, ausgehend von der Verhaftung bis hin zur Demontage: Ehrgeiz, Profilierungssucht und Selbsttäuschung.
Man mag vielleicht darüber streiten, ob in dieser Bühnenfassung die meisten der im Roman enthaltenen Aspekte zur Geltung gekommen sind. Doch das Wesentliche zeigt die Inszenierung in vielen kreativen Bildern. Wer damit nicht zufrieden ist, sollte sich vielleicht die Mühe machen, den Roman ganz zu lesen. Es lohnt sch.
(GBW)