Essen
Faust I und II
Von Johann Wolfgang von Goethe
Gesehen am 2.3.13 (Premiere)
Es spielen: Jan Pröhl, Stefan Diekmann, Laura Kiehne, Andreas Maier, Sven Seeburg,Tobias Roth, Thiemo Schwarz
Inszenierung: Christoph Roos
Bühne: Peter Scior
Dramaturgie: Vera Ring
Kostüme: Sonja Albartus
Gefangen in Rastlosigkeit
Den „Faust“ mit sieben Schauspielern bewältigen – was für ein Vorhaben: das Programmheft kündigt eine Strichfassung an – und der Zuschauer ist gespannt. Er sieht die radikale Beschränkung auf die Hauptfiguren Mephisto/Faust/Gretchen in Teil I und Mephisto/Faust/Helena in Teil II, jeweils begleitet von den allegorischen Figuren der Sorge, Not, Geist, Schuld, Mangel und jeweils im Wechsel dem Kaiser, Heermeister, Kanzler, Philemon und Baucis. Die von Goethe in vielen Szenen behandelten Sinnfragen (Auerbachs Keller / Walpurgisnacht / Schaffung des Homunculus etc.) sind gestrichen.
Regisseur Christoph Roos fokussiert seine Inszenierung konsequent auf die männliche Erlebniswelt. Faust ist ein Getriebener. Nachdem er vor Verzweiflung über die Unmöglichkeit weiteren Erkenntnisgewinns den Pakt mit Mephisto schließt und ihm für die Zufriedenheit des Augenblicks seine Seele verspricht, hetzt er durch ein Leben, in dem er mit Hilfe von Mephisto alles bekommt, was er begehrt. Da ist zunächst Gretchen, die er verführt, die er ins Unglück stürzt, die er zwar retten will aber nicht kann – sie entscheidet sich anders. Da ist auch die Schönste aller Frauen - Helena -, die ihm Mephisto zuführt, mit der er einen Sohn hat und die aus seinem Leben entschwindet, nachdem der Sohn tot ist. Er wendet sich dem persönlichen Erfolg zu und wird zum erfolgreichen Berater des Kaisers, verschafft ihm wirtschaftliche Erfolge und gewinnt Kriege, wird fürstlich belohnt und kann seine Vorstellungen in seiner von ihm geschaffenen Welt verwirklichen. Die fast leere Bühne verwandelt sich in eine moderne Plattenbausiedlung – eine interessante Metapher. Hemmungslos fällt die Hütte der beiden Alten Philemon und Baucis dem Fortschrittsglauben zum Opfer. Faust bleibt sein Leben lang ein Gefangener in einer Welt, die vermeintlich nur das Beste, Schönste und Fortschrittlichste zum Ziel haben muss.
Und mögen die Glocken aus einer anderen Sphäre noch so laut klingen – er schafft es, sie zu übertönen. Goethe hat diesen, wie er es nannte, veloziferischen Geist vorausgesehen und ihm ein Bild geschaffen.
Christoph Roos und seinem Team gebührt große Anerkennung dafür, diese Aspekte herausgeschält zu haben, großartig umgesetzt von einem Schauspielerteam, das die Zuschauer nach kurzer anfänglicher Unruhe in eine gebannt das Geschehen verfolgende Menge verwandelt. Besonders hervorzuheben sind Jan Pröhl als Faust und Stefan Diekmann als Mephisto. Pröhl verleiht der Titelfigur lautstarke, männliche Präsenz und Diekmann stellt auch ohne Teufelsmaske durch Mimik und Gestik einen Mephisto dar, der glaubhaft imstande ist, Faust durch seinen luziferischen Geist zu steuern.
Begeisterter Applaus, auch stehend, bildet den würdigen Abschluss für einen durchweg lohnenden Theaterabend.
Weitere Aufführungen: 7./13./17./31.3./13./14./27.4.
3.3.13/GBW