Essen

 

Buddenbrooks

Nach dem Roman von Thomas Mann

Bühnenfassung von John von Düffel

Schauspiel-Essen

Inszenierung: Christoph Roos

Bühnenbild: Peter Scior

Kostüme: Sonja Albartus

 Premiere: 26.02.2011

 

Begeisterter Applaus belohnt die fast dreistündige Aufführung, die vom Verfall einer Familie erzählt –so lautet auch der Untertitel des Romans von Thomas Mann, der 1901 erschien. Er beschreibt darin detailliert den Aufstieg und Verfall einer Familie über mehrere Generationen. Viele werden sich die Zeit genommen haben, diesen Roman zu lesen und in seiner epischen Breite zu genießen. Von vorn herein war klar, dass nur die Konzentration auf bestimmte Aspekte des vielschichtigen Werks für eine Bühnenadaption infrage kommen konnten. John von Düffel beschreibt im Programmheft seine Wahl, sein Erkenntnisinteresse, und warum es sich lohnt, die Geschichte auf die Bühne zu transferieren: „Sicherlich kann man vor den „Buddenbrooks“ in Ehrfurcht erstarren. Aber man kann auch versuchen, sie neu zu lesen, neu zu untersuchen und die überraschende Nähe, den psychologischen Kern dieser Figuren zu entdecken, ihre zeitlose Modernität. Und wenn einem dieser Kern wirklich wichtig ist, muss man es sogar.“ Diesem Anspruch ist er gerecht geworden. Die Dialoge – in Schlüsselszenen auch wörtlich übernommen - beleuchten im Wesentlichen das alles beherrschende ökonomische Denken, dem sich jeder Familienangehörige zu verpflichten hat und dem jeder persönliche Entfaltungswunsch untergeordnet werden muss. Die dramatische Auswirkung dieses Denkens wird exemplarisch gezeigt in den drei Geschwisterfiguren Thomas, Tony und Christian. Keines der drei Geschwister hat die Möglichkeit, eine eigene Identität zu entwickeln. Während Thomas und Tony die Notwendigkeit der Unterordnung unter das familiäre Prinzip eigentlich nie infrage stellen, schafft es Christian von Anfang an nicht, sich in irgendeiner Weise anzupassen. Seine einzige Fluchtmöglichkeit ist die in die Krankheit; aber auch Thomas und seine Schwester Tony zahlen, jeder auf seine Weise, einen hohen Preis für ihre Anpassungsleistung. Die nie hinterfragte Richtigkeit des von Generation zu Generation weitergereichten Denkens verstellt den notwendigen Blick auf das Neue, auch auf neue Geschäftsmethoden. Die begrenzten Möglichkeiten zur charakterlichen Anpassung werden am deutlichsten in der letzten Generation: Thomas muss erkennen, dass sein Sohn Hanno nicht die Fähigkeiten mitbringen wird, die Firma zu führen.

 

Das alles wird erzählt in einer dichten Folge von Szenen, die sich aneinanderreihen auf einer Drehbühne, deren Bühnenbild die Zimmer und das Kontor des Hauses an der Mengstraße symbolisieren. Durch diesen Kunstgriff kann die Geschichte sich ohne Verzug fortlaufend entwickeln. Die Beleuchtung unterstützt in auffällig unauffälliger Weise den szenischen Gehalt. Die Schauspieler-Riege zeigt durchweg begeisternde Leistungen, auch in den Nebenrollen: die studentische Leichtigkeit des Morten, der die junge Tony beeindruckt (Alexander Gier), die Verschlagenheit des Bankiers Kesselmeyer (Sven Seeburg), die Bauernschläue von Tony’s Ehemann Grünlich (Andreas Maier), die weitgehend durch eindeutige Körpersprache agierende Gerda (Claudia Frost) mit ihrem Sohn Hanno (Cedric Schmale) und Ingrid Domann und Wolfgang Jaroschka als Konsulin und Konsul, die mit unverrückbaren Grundsätzen die Werte setzen, denen ihre Kinder Thomas, Tony und Christian folgen müssen. Stefan Diekmann als Thomas zeigt einen zu Beginn eher blassen, angepassten Sohn, der sich nur verhalten zu freuen vermag, als er endlich seine Traumfrau findet; die Nöte und Zwänge als Alleinverantwortlicher für die Geschicke der Familie macht er in seiner zunehmend intensiven Darstellung deutlich. Lisa Jopt als Tony kostet die Bandbreite ihrer schauspielerischen Möglichkeiten aus – ihr Weg vom unbedarften jungen Mädchen zur am Leben und den an sie gestellten Aufgaben gereiften Frau kann überzeugen. Besonderen Beifall erhielt zu Recht Jörg Malchow, der den hypochondrischen Christian in allen Facetten glaubhaft machte, angefangen von seinen spielerischen Clownerien als Jugendlicher hin zum tatsächlich kranken, lebensuntüchtigen Menschen, der vergeblich einen Rest seiner Würde zu bewahren sucht. 

(Gisela Baumann-Wagner)

 

Ein durchweg lohnender Theaterabend wartet auf Sie!