Musiktheater im Revier

Gelsenkirchen

 

Giselle

 

Ballett von Bernd Schindowski

Nach dem Libretto von Théophile Gautier und Jules Verny

Musik von Adolphe Adam

 

An eines der „überragenden, unverlierbaren Stücke des ewigen Tanzrepertoires“ hat sich das Ballett Schindowski herangewagt. „Giselle“ gilt als der Inbegriff des romantischen Tanzes schlechthin. Als Vorbild gilt das Ballett „La Sylphide“ (1832), das von der tragischen Liebe eines schottischen Edelmannes zu einem Elfenwesen handelt. Aber die eigentliche Idee wurde bei Théophile Gautier durch Heinrich Heines „De l`Allemagne“ erweckt, das 1835 in Paris erschien. Darin enthalten ist die Geschichte „Die Wilis“. Diese sind Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind und in ihren Gräbern keine Ruhe finden. Um Mitternacht steigen sie empor und tanzen im Mondenschein wie die Elfen. Sie geben ihrer Tanzlust nach, die vor ihrem Tod nicht ausgelebt werden konnte. Wen sie treffen, den tanzen sie zu Tode. In diesem Ballett sind sie auf Rache aus.

Im ersten Akt befindet sich Giselle in einer Art Traumwelt, wunderbar dargestellt durch die Kulissen von Manfred Dorra. Sie ähneln ein wenig den Hundertwasser-Häusern und bilden eine bunte, farbenfrohe Phantasiewelt. Giselle tanzt verspielt, bis sie durch Herzog Albrecht verführt wird, dem es gelingt in ihre Welt einzudringen. Er führt sie in seine reale und kalte Welt und missbraucht ihr Vertrauen. Auch dies wird hervorragend  in Szene gesetzt,  indem sich die Tür eines grauen Hauses öffnet. Nun kann Giselle die Grenzen zwischen Realität und Traum nur schwer unterscheiden. Eine Festgesellschaft erscheint ihr als surreale Familie des Herzogs. Als übermäßig dicke Leute sehen  sie total komisch aus. Hier ist die Inszenierung so witzig, lebhaft und jung, dass man lachen muss. Kostümbildner Andreas Meyer hat sehr viel Liebe zum Detail entwickelt. Eine Schlüsselrolle in der Inszenierung spielt mit Sicherheit die Szene, in der Giselle dem Wahnsinn verfällt, weil ihre Liebe zum Herzog aussichtslos ist. Priscilla Fiuza gelingt es hinreißend, allen Facetten Giselles tänzerisch Ausdruck zu verleihen.

Im zweiten Akt wird die bunte Phantasiewelt durch das Schattenreich der Wilis abgelöst. Dieser Kontrast erscheint nicht zuletzt durch das fulminante Bühnenbild. Lediglich stählerne Stehlen hängen von der Decke, die vor dem schwarzen Hintergrund beängstigend wirken. Die Schattenmänner sind nur mit schwarzer Farbe bekleidet, was wieder einen modernen Moment bildet. Eindeutig als klassisches Ballett erkennbar sind die Wilis, ausgestattet mit Tüll tanzen sie sich die Seele aus dem Leib. Myrta sieht aus wie eine Maikönigin, nur nicht strahlend, sondern leichenblass in einem weißen Kleid. Sie ist die Königin der Wilis und wirkt sehr majestätisch.

Schindowski verleiht allen dramatischen und surrealen Momenten so gekonnt Ausdruck, dass man enttäuscht ist, als am Ende der Vorhang fällt. Große Kunst.

 

(Anna Dettmer)