Schauspielhaus - Kammerspiele - Bochum

 

Bunbury oder wie wichtig es ist, Ernst zu sein

Eine triviale Komödie für ernsthafte Leute (Uraufführung. London 1895)

 

(Premiere 7. April 2012

 

Die im Bochumer Schauspielhaus aufgeführte Komödie von Oscar Wilde ist die amüsante Geschichte von zwei jungen Männern, die fiktive Personen erfinden. Deren vermeintliche Existenz ermöglicht es ihnen, uneingeschränkt von den Regeln der Gesellschaft, ihren Wünschen und Schwächen nachzugehen.

So ist Jack Worthing auf dem Lande Jack; in der Stadt nennt er sich aber Ernst. Um von Cecily, seinem Mündel, das nichts von seinem ausschweifenden städtischen Leben wissen soll, respektiert zu werden, hatte er ihr vorgeschwindelt, dass in London sein Bruder Ernst lebe, der aber sehr übermütig und leichtfertig und daher kein guter Umgang für sie sei. Sein Freund Algernon Moncrieff gesteht ihm, dass er zu einem ähnlichen Trick gegriffen habe. Er habe einen erkrankten Verwandten mit Namen Bunbury erfunden, der ihm für vergleichbare Fälle als Ausrede diene.

Die absurden Situationen, die aus diesen und anderen Lügen, Täuschungen und Teilwahrheiten entstehen, werden noch verstärkt durch das Auftreten der Tante Algernons, Lady Bracknell, mit Gwendolin, deren Tochter, sowie Cecily und deren Gouvernante Miss Prism.

Cecily verliebt sich augenblicklich in Algernon, der sich als der Buder Jacks vorgestellt hatte und dessen angeblich leichtfertiges Leben in London schon vorher ihr Fantasie angeregt und Emotionen geweckt hatte.

Gwendolin macht Jack, als sie sich ineinander verlieben, klar, dass ihr absolutes Kriterium für eine Heirat ist, dass der Mann Ernst heisst.

Die beiden jungen Frauen scheinen darüber hinaus keine weiteren Interessen zu haben.

Lady Bracknell und Miss Prism stehen für die "Tugenden" der Gesellschaft, wobei sich später herausstellen wird, dass die als besonders hervorragende Erzieherin eingeführte Miss Prism auch ein dunkles Geheimnis hat.

 

Für die Inszenierung in Bochum hatte sich der Regisseur etwas Besonderes ausgedacht. Die Vorstellung fand auf zwei Ebenen statt. Es gab ein Kasperletheater (Theater imTheater), das den Hauptakteuren für ihre Turnübungen eine ordentliche Kondition abverlangte und den Zuschauern tiefe Einblicke gewährte. Insgesamt fühlte man sich als Zuschauer in ein bayerisches Bauerntheater versetzt. Es gab viel Klamauk. Es wurde geschrien, gesprungen, getrampelt und geprügelt wie auf dem Oktoberfest.

Selbst die Damen regelten ihr vermeintlichen Schwierigkeiten nicht nach dem Vorbild des Meisters des Dialogs sondern durch Handgreiflichkeiten und Prügeleien zum Teil mit archaisch aussehenden Knüppeln. Lady Bracknell, die streckenweise wie eine Walküre wirkte, bekam auch etwas mit einem Knüppel auf den Kopf, schien aber absolut unbeteiligt, egal ob sie geprügelt wurde oder Algernon immer mal wieder unter ihrem Reifrock hervorgekrochen kam. Darüber hinaus tauchten Männer in Frauenkleidern auf und Algernon tätschelte seiner Tante im Vorbeispringen auch mal die Brust. Um das Niveau zu heben, war Richard Wagner in Bild und Ton präsent.

 

Oscar Wilde, der Meister des Paradoxons lässt Lady Bracknell sagen: "Zum Glück bringt wenigstens in England die Erziehung keinerlei Erfolg hervor. Wenn sie es täte, würde sie sich als eine ernste Gefahr für die oberen Schichten erweisen und wahrscheinlich zu Gewaltakten ... führen."

 

Von der bei Tucholsky beschriebenen und hoch gelobten schwebenden Leichtigkeit der Form und des Witzes, leise und unaufdringlich und unerhört wirksam, war bei dieser Inszenierung wenig zu spüren. Der Regisseur hatte offenbar nicht verstanden, dass es gerade bei diesem Stück auf die "Sterne des Dialogs" ankommt.

 

Zum Schluss, als das ganze Lügengebäude zusammenbricht, auch das Theater im Theater, ist alles etwas weniger schrill. Es folgt keine Bestrafung der Lügen, sondern die vormaligen Lügen stellen sich in grotesker Weise als Wahrheit heraus. Jack heißt tatsächlich Ernst. Die Hochzeit kann also stattfinden. Auch seine bislang im Nebel der Vergangenheit ruhende Herkunft, sowie das damit verbundene Geheimnis um Miss Prism klären sich auf und Algernon ist tatsächlich der Bruder von Ernst (Jack).

 

Insgesamt ist festzuhalten, dass ein bisschen mehr der "feinen englischen Art" der Inszenierung gut getan hätte und sicherlich auch einige Längen erst gar nicht entstanden wären.

Die wunderbaren Dialoge Wildes verlieren durch das von der Inszenierung vorgegebene "Theater" an Wirkung.

Die trotz allem guten Leistungen des Ensembles konnten diese Mängel nicht ausgleichen. Schade.

 

(Elisabeth Klawitter)