Nabucco
Oper in 4 Teilen


Libretto von Temisstocle Solera
Musikalische Leitung: Noam Zur
Inszenierung: Andreas Baesler

Premiere: 11. April 2009


Die Opern Verdis erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit beim Publikum. Steht eines der bekannten Werke auf dem Spielplan ist die Begeisterung besonders deutlich zu spüren. Die Aufführungen sind in der Regel schnell ausverkauft. Das war auch Samstag der Fall. Vor ausverkauftem Haus hatte „Nabucco“ im Aalto Theater Premiere. Inszeniert wurde die Oper von Andreas Baesler. Die musikalische Leitung hatte Noam Zur. Für das Ensemble gab es viel Beifall.

Freiheitsdrang, religiöser Fanatismus, hinreißende Chöre und aufwühlende Bilder werden mit Nabucco in Zusammenhang gebracht. Im Zentrum der Handlung steht einerseits das hebräische Volk, dass von den Babyloniern unterworfen und verschleppt wurde und sich aus der babylonischen Gefangenschaft befreien will, andererseits der König der Babylonier, Nabucco, der dem Wahnsinn verfällt, weil er sich selbst zu Gott machen will. Berühmt geworden ist Nabucco durch den Gefangenchor. Die Sehnsucht des Volkes nach seiner Heimat wird in den Worten „Va', pensiero, sull'ali dorate“, Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht, deutlich

Andreas Baesler setzt mit seinem Inszenierungskonzept im Aalto neue Akzente. Er karrikakiert, gestaltet mit Farbsymbolik, dort wo Farbe mehr als Worte ausdrücken kann, arbeitet gezielt mit Licht und Schatten, charakterisiert mit Komplementärfarben Personen und Objekte. Abigaille, rothaarig, temperamentvoll, dominant von der ersten Minute an, erscheint im ersten Teil als Rekrut mit Pistole im Gurt, im zweiten Teil tritt sie verführerisch im leuchtend rotem Kleid auf, während Fenena, die Zurückhaltende, dezent in grünem Dress gekleidet ist. Überdimensionale Schatten werden an die Wand geworfen, wenn patrollierende Soldaten auf und ab marschieren. Ein dramaturgisches Mittel um Ängste und permanente Bedrohung sichtbar werden zu lassen. Das Bühnenbild: Eine Drehbühne mit einem grauen Gebäudekomplex aus Beton und eingelassenen unterschiedlichen Öffnungen. Sie assoziieren verschiedene Schauplätze auf der Welt, in denen das Leben pulsiert, kriegerische Auseinandersetzungen entstehen können und Versöhnungen zwischen den Völkern möglich sind.
Regisseur Baesler geht es um den aktuellen Zeitbezug, vermutet man, nicht so sehr um den biblischen Mythos, der scheint in der Inszenierung nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Das lässt die Personenführung erkennen. Nur Abigaill und Zaccaria fallen als starke Persönlichkeiten auf.
Babylon, das schließt man aus dem Konzept Baeslers, ist nicht auf einen bestimmten geographischern Ort festgelegt. Babylon als Topos ist überall möglich. Die Regie überträgt dem Zuschauer die Rolle des Voyeurs. Er kann aus der Distanz heraus einen Blick auf die unterschiedlichsten Schauplätze in der Welt werfen. Die Akteure präsentieren sich dort und sind so transparent als säßen sie hinter Schaufenstern.
Diese Distanz wird aber rasch aufgehoben, sobald Abigaille erscheint.
Mit unglaublicher Bühnenpräsenz, mit Dramatik und Emotionalität in der Stimme zieht sie das Publikum sogleich in ihren Bann. Damit stiehlt sie Nabucco buchstäblich die Show, sowohl darstellerisch als auch stimmlich. Ihre Stimme spiegelt das volle Spektrum emotionaler Befindlichkeiten. Der von Verdi eigens kreierte Stimmtypus soprano drammatico d’agilità fordert jede Sängerin heraus. Francesca Patané meistert diese schwierige Aufgabe mit kleinen Einschränkungen bravourös, ist ganz Primadonna. In den Mitteltönen wirkt sie manchmal etwas verhalten, in den Spitzentönen irritiert ihre Stimme ab und zu durch zuviel Härte. Marco Chingari in der Rolle des Titelhelden erfüllt die Erwartungen nicht. Er hat deutliche Konditionsschwächen. Anders sieht es bei Michail Ryssov als Zaccaria aus. Er ist die Idealbesetzung für die Rolle und begeistert mit seiner enormen Ausstrahlung und seinem wohlklingenden Bass. Auch Bea Robein als Fenea singt mit klangschöner Stimme, ohne irgendwelche Beanstandungen. Felipe Rojas Velozo als Ismaele wünscht man sich schon etwas feuriger. Warum Abigaille und Fenea ausgerechnet auf ihn fliegen, müsste tiefenpsychologisch ergründet werden. Dem Chor wird in Nabucco eine zentrale Rolle zugewiesen. Er ist immer präsent, so wollte es schon Verdi. Auch wenn Dramatik und Theatralik ausdrückt werden, ist seine überwiegend statische Führung vorgesehen. Daran orientiert sich auch Baeslers Inszenierung. Die Hebräer sind bei ihm, getreu seinem Konzept, zeitgemäß gekleidet, während die Babylonier eher an die Antike erinnern, da sie von Alfred Mayerhofer mit Orientalischen Gewändern kostümiert wurden.
Chor und Extrachor unter der Einstudierung von Alexander Eberle verdienen ein dickes Lob. Ebenso die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Noam Zur.

 

Viel Beifall und Bravorufe