Essen

 Casa des Schauspiels Essen

Die Grönholm Methode von Jordi Galceran

Deutsch von Stefanie Gerhold

Inszenierung: Jens Pesel

 

Premiere: 17. Oktober 10

 

Das wahre Ich ist chancenlos

 

In der Casa des Schauspiels Essen hatte die Grönholm Methode von Jordi Galceran Premiere. Das Stück wurde 2003 im Teatro Nacional de Catalunja uraufgeführt und basiert auf einer wahren Begebenheit. In einer Mülltonne in Madrid fand man Bewerbungsunterlagen, auf die der Personalchef einer Supermarktkette diskriminierende Äußerungen über Bewerber für eine Kassierer Stelle notiert hatte.

Die Grönholm Methode wurde 2005 am Badischen Staatstheater Karlsruhe erstmalig dem deutschen Publikum vorgestellt. Seitdem wurde das Theaterstück auf über 40 deutschen Bühnen mit großem Erfolg aufgeführt.

 

Drei Männer und eine Frau bewerben sich um einen hochdotierten Posten in einer international tätigen Möbelfirma. Drei Vorrunden haben sie bereits absolviert; nun geht es in die entscheidende Phase. Alle vier rechnen sich gute Chancen aus, doch klar ist auch, die Position wird nur einmal besetzt. Nahezu pathologisch anmutende Tests müssen die Probanden nun über sich ergehen lassen. Außerdem dürfen die Bewerber den Raum nicht verlassen, sonst sind sie raus aus dem Rennen. Absurderweise erhalten sie ihre Anweisungen nur schriftlich durch eine Klappe. Um die Perfidität der Situation noch zu verstärken, wird ihnen mitgeteilt, dass die Personalabteilung einen Psychologen eingeschleust hat.

 

Regisseur Jens Pesel hat die Bühne in kühlem Blau und ohne schmückendes Beiwerk ausgestattet. Nur vier moderne, Chrom-glänzende Bürosessel mit Beistelltisch sind aufgestellt. In dezentem Grau gekleidet und mit dem dazugehörigen Aktenkoffer ausgerüstet, betreten die Bewerber nacheinander das Assessmentcenter. Was sie erwartet, wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie versuchen zunächst durch Beobachtung und vorsichtiges Taktieren ihre Mitbewerber einzuschätzen. Schnell ändert sich ihr Verhalten. Bereits mit der ersten Aufgabe wird das Misstrauen zwischen ihnen geschürt. Der Psychologe soll entlarvt werden. Es kommt zu verbalen Angriffen, die sich kontinuierlich steigern und in einen regelrechten Psychokrieg ausarten. Die gegenseitigen Attacken nehmen extreme Formen an. Die vier Darsteller: Fernando Porta (Sven Seeburg), Enrique Font (Wolfram Boetzle), Mercedes Degas (Ines Krug) und Carlos Bueno (Tom Gerber) offenbaren ihren Charakter durch heftige Wortgefechte. Selbst zu tätlichen Angriffen lassen sie sich hinreißen. In Gestik und Mimik verkörpern die vier Darsteller die Figuren im Stück so brillant, dass der Zuschauer glaubt, tatsächlich den Zyniker oder den Depressiven vor sich zu haben. Die bisweilen verwendete deftige Sprache führt immer wieder zur Situationskomik und zur Erheiterung der Zuschauer. Doch bleibt das Lachen buchstäblich im Hals stecken, wenn die vier bis an die Schmerzgrenze gehen.

Denn die psychologisch ausgefeilten Rollenspiele sind keine Utopie, sondern sie sind ein bedrückender Teil unserer Lebenswelt und gehören zu unserem Alltag, zum oftmals gnadenlos geführten Konkurrenzkampf in der Arbeitswelt. Für viele Menschen ist er mittlerweile grausame Realität geworden. Von daher ist das spannende Stück aktueller denn je und wirft viele Fragen auf. Die Frage nach der Menschenwürde ist nur eine von ihnen und betrifft jeden Menschen. Wie weit geht der einzelne, wenn es um Macht und Geld geht? Ist er bereit sich so zu verbiegen und zum Clown zu machen und damit letztendlich sein eigenes Ich zu verleugnen.

Bis zum Schluss wird der Zuschauer auf die Folter gespannt, bleibt das Spiel auf der Bühne einem Krimi vergleichbar, spannend und hochdramatisch.

„Wir suchen nicht einen guten Menschen, der nach außen ein Arschloch ist. Was wir suchen, ist ein Arschloch, das nach außen ein guter Mensch ist, “lautet das Resümee der Psychologen am Ende Stückes.

Eine Schreckensvision. Das Stück sollte man unbedingt ansehen. Ein begeistertes Publikum honorierte die überragenden Leistungen der Schauspieler.

(HA-KRU)