Von Babelsberg nach Hollywood

Rasante Filmmusik-Schlager-Revue im theaterhagen

 

Premiere am 9.4.16, besuchte Vorstellung am 15.4.2016

 

Die Premiere muss wohl voll eingeschlagen haben, so früh war das Hagener Theater selten so voll besetzt, und das Publikum kam auch in jeder Hinsicht auf seine Kosten: standing ovations am Schluss.

 

Das Theater hatte auch jede Menge aufgeboten: Sechs Solisten, das Ballett (Ricardo Fernando), der komplette Opernchor (Wolfgang Müller-Salow). Das offensichtlich erweiterte Orchester unter Steffen Müller-Gabriel passte kaum auf die Bühne. Links von der unvermeidlichen Showtreppe waren die Streicher plaziert, im ersten Teil sogar eine Harfe, ganz oben die Schlaginstrumente. Rechts davon E-Piano, E-Bass und E-Gitarre, Pauken und alle Bläser. Die Hörner ganz rechts, so dass ein Teil des Publikums sie gar nicht sehen, aber gut hören konnte. Ganz oben Saxophone, je drei Trompeten und Posaunen, die für die stahlharten Bigbandklänge verantwortlich waren.

 

Aber nicht nur quantitativ wurde (fast) alles aufgeboten, was man hatte, auch qualitativ war die Revue hervorragend. Dabei wurde auf einen möglicherweise akademischen und ermüdenden historischen Abriss verzichtet, sondern die ausgewählten Stücke wurden bunt, aber überlegt und abwechslungsreich durcheinandergemixt (Idee und Konzept: Thilo Borowczak, Imme Winckelmann). Bezeichnend dafür der mehrfach eingeblendete Name der so entstandenen neuen Stadt: Babelwood. Tillmann Schnieders, in Hagen schon öfters aufgetreten, führte dabei kurzweilig und in wechselnden Kostümen singend und tanzend durch den Abend. Oft umziehen mussten sich aber auch der Chor, das Ballett und die übrigen Solisten. Dazu gehörten drei feste Mitglieder des Hagener Ensembles: Marylin Bennett und Kenneth Mattice, die nicht nur brillant sangen, sondern auch zeigten, wie toll sie tanzen können, und Richard van Gemert, der mit seinem Bühnensohn Samy Seyhan gemeinsam das Schlaflied „Le-La-Lu“ sang, immer wieder gern einen Korn trank und mit „Ich brech die Herzen der stolzesten Fraun“ Lachstürme im Publikum erntete. Dazu kamen Hannes Staffler, der mit seiner manchmal auch falsettierenden Röhre vor allem für die rockigen Stücke zuständig war, und Carina Sandhaus, die mir in den intimeren, nur von wenigen Instrumenten begleiteten Balladen besonders gut gefiel.

 

 

Carina Sandhaus, Kenneth Mattice – „CHEEK TO CHE EK“ aus „ICH TANZ MICH IN DEIN  HERZ HINEIN
Carina Sandhaus, Kenneth Mattice – „CHEEK TO CHE EK“ aus „ICH TANZ MICH IN DEIN HERZ HINEIN
Marilyn Bennett, Kenneth Mattice,  ballett hagen – „STEP IN TIME“ aus „MARY POPPINS“
Marilyn Bennett, Kenneth Mattice, ballett hagen – „STEP IN TIME“ aus „MARY POPPINS“

Unterschiedliche Besetzungen folgten aufeinander, und zu jedem Song hatte man sich etwas einfallen lassen. Einige Stücke wurden vom kompletten Orchester gespielt, oft im bläserdominierenden Bigbandstil (Mission Impossible), sich aber auch manchmal dem klassischen sinfonischen Stil nähernd (Star Wars). Aber auch die Streicher wurden mit Arrangements bedacht, die sie in den Vordergrund treten ließen, z.B. bei Klaus Doldingers Musik zu „Das Boot“ oder dem „Miss Marple Theme“, bei dem das Ballett, die Herren alle in Miss-Marple-Kostümen, einen besonders gelungenen Auftritt hatte. Die Solisten wurden in unterschiedlichster Weise begleitet, manchmal nur mit wenigen Instrumenten, meist aber vom vollen Orchester, oft kam der Chor dazu, unterschiedlich kostümiert, manchmal hörte man ihn aber auch nur. Etliche Szenen waren zum Vergnügen des Publikums zu kompletten Spiel- und Tanzszenen ausgeweitet, z.B. im King-Louis-Song aus dem „Dschungelbuch“, wobei das Acht-Affen-Ballett sogar zwischen den Zuschauern tanzte. Andererseits gab es ganz intime Momente, etwa wenn Andrey Doynikow ganz allein am Flügel Tiersens Amélie-Thema spielte. Auch szenisch gab es einiges zu bewundern: Carina Sandhaus wurde zu Marylins Song über die Diamanten vom Schnürboden herabgelassen, etliche Personen erschienen oder verschwanden per Aufzug, und zu „Stayin´ Alive“ gab es im Rhythmus Feuer auf der Bühne! Oft waren mehrere Songs interessant miteinander gekoppelt, besonders gelungen fand ich die musikalische und szenische Verbindung zweier Songs aus unterschiedlichen Filmfassungen von Robin Hood

 

Tillmann Schnieders, Hannes Staffler, Kenneth M attice – (EVERYTHING I DO) I DO IT FOR  YOU aus „ROBIN HOOD – KÖNIG DER DIEBE“
Tillmann Schnieders, Hannes Staffler, Kenneth M attice – (EVERYTHING I DO) I DO IT FOR YOU aus „ROBIN HOOD – KÖNIG DER DIEBE“

Ein rasanter Abend also, mit tollen Solisten, tollem Chor, Ballett und Orchester, alles zusammengehalten vom Dirigenten Steffen Müller-Gabriel. Aber einige Menschen kommen im Programmheft nur ganz klein vor, ohne die das alles gar nicht möglich gewesen wäre. Das sind einmal diejenigen, die für die musikalische Einstudierung verantwortlich waren: Anna-Maria Dafova, Andrey Doynikov, Silvia Vassallo Paleologo. Und was hätte das Orchester ohne die Super-Arrangements von Andreas Reukauf, Thomas Guthoff, Julius Czakiel und Rolf Discher gemacht? Gut ausgehört, abwechslungsreich, schmissig, waren die doch die Basis für diesen gelungenen Abend!

 

Fritz Gerwinn, 17.4.2016

Fotograf: Klaus Lefebvre

Weitere Aufführungen: 24.4., 4.5., 11.5., 22.5., 28.5., 10.6., 3.7., 7.7.2016