Essen

 

"FAUST"

 
Musikalische Leitung Sébastien Rouland
Inszenierung, Bühne Philipp Stölzl
Co-Regie Mara Kurotschka
Bühne Heike Vollmer
Kostüme Ursula Kudrna
Licht-Design Ulrich Niepel
Dramaturgische Betreuung Markus Tatzig
Choreinstudierung Patrick Jaskolka
 
Premiere am 30. Januar 2016


Charles Gounods fünfaktige Oper „Faust“ in der Inszenierung von Philipp Stölzl feierte im Aalto Theater in Essen eine umjubelte Premiere. Die Produktion kam bereits 2008 in Basel und 2015 in Berlin zur Aufführung. Die Inszenierung zeichnet das feinsinnige Psychogramm eines jungen Mädchens, welches Opfer eines gemeinen Betruges wird. Die Begierde eines alten Mannes zerstört ihr Leben.

 
Statt „Faust“ könnte die Oper auch den Titel „Marguerite“ tragen. Denn das „Gretchen Thema“ steht im Fokus der Handlung. Tatsächlich wurde die Oper lange Zeit  als „Marguerite“ aufgeführt. Diese Namensgebung erfolgte aus Respekt vor der berühmten Goethe Figur.

 

Den Fauststoff hat Gournod mit Arien, Chören, Kavatinen und Balletten zu einer großartigen Oper vertont. Die Liebesgeschichte zwischen Faust und Marguerite hat keine Zukunft. Die Inszenierung von Philipp Stölzl beginnt mit Faust,  der die tote Marguerite festgeschnallt auf einer Bahre hinter sich her schleift. Nicht zu übersehen, die Schuld lastet schwer auf seinen Schultern.

 
Die Inszenierung ist sozialkritisch angelegt. Intoleranz, Ausgrenzung, Kindestötung und Ehrenmord sind Konflikte, die in der Oper vorkommen und heute noch aktuell sind.

 

Stölzl nimmt Eingriffe in die Partitur vor und stutzt das Werk, wo es ihm notwendig erscheint. (Auerbachs Keller, Walpurgisnacht), ). Stattdessen prächtig in Szene gesetzt: "Wedding Chapel," Marguerites Vision ihrer Hochzeit mit Faust.

 
Die phantastisch romantisierte Erzählung besticht mit eindrucksvollen Bildern, wobei die fünfziger Jahre eine Renaissance erleben  (Autoscooter, rosafarbene Paillettenanzüge im "Elvis-Stil" (Mephisto, Faust),  farbig blinkende Tannenbäume, Puppengesichter, als Masken, die an die beliebten Schildkrötpuppen der 50er Jahre erinnern (eine Idee in Anlehnung an das Brechtsche Gedicht vom „Fischvolk“. Es handelt von der schweigenden Masse in der Nazi Zeit ), eine lädierte Truppe heimkehrender Soldaten, die Ausschau nach Angehörigen hält.


Im Hightech Rollstuhl, mehr tot als lebendig, ausgestattet mit lebensverlängernden Mitteln fährt Faust über die Bühne. Inbrünstig sehnt sich der alte und schwerkranke Wissenschaftler, lange schon des Lebens überdrüssig, die Jugend zurück. Er beschwört den Teufel, der in der Gestalt Mephistos erscheint, ihm zu helfen. Mephisto verwandelt Faust in einen jungen Mann. Faust wird gedoubelt und zieht mit seinem "alten  Ego" los,  beide in rosafarbenen Glitzeranzügen .(Kostüme, Ursula Kudrna). Seine zurückeroberte Jugend kostet er gleich voll aus (tätowiert sich, saust mit dem Autosccoter umher) und drängt darauf die Bekanntschaft eines jungen Mädchens zu machen.

 

Die Bühne:  (Heike Vollmer, Philipp Stölzl) mit hohen, kargen Wänden und einen dominanten turmartigen Bau ist in Einheitsgrau gehalten. Um den Turm herum kreist eine Drehbühne. Junge Mädchen auf Fahrrädern mit  Picknickkörben vergnügen sich im Spiel. Sie spiegeln die Sehnsüchte des Greises, sind  Erinnerungen seines Lebens.

Mephisto präsentiert Faust  das Bild Marguerites und fädelt ein  Treffen mit ihr ein. Für Faust ist sie der Inbegriff der Jugend. Mit großzügigen Geschenken gewinnt er das blutjunge Mädchen für sich. Marguerite lebt mit Valentin, ihrem Bruder armselig in einem kleinen, schäbigen Wohnwagen, bis dieser zu den Soldaten gerufen wird.  Sie verliebt sich in Faust und wird schwanger. Faust verlässt sie, er hat sie nur benutzt.

Nach der Pause wird es auf der Bühne bewegungsfreudiger..Das  Bühnenbild  zeigt  eine romantische Winterlandschaft. Es schneit permanent. Mädchen machen eine Schneeballschlacht. Das Bild ist eingefroren. Eiszeit. Ausgelassen tobendeJugendliche in Pelzmänteln stechen auf Valentin ein. Marguerite wird wegen Kindestötung verhaftet und stirbt durch eine Giftspritze. 

 

Die Inszenierung endet in der Todeszelle.

 

Jessica Muirhead beeindruckt in der Rolle der Marguerite. Ihr dramatischer Sopran lässt Nöte und Verzweiflung, emotionale Höhen und Tiefen des einsamen Mädchens nachempfinden. Vom Publikum wird sie begeistert gefeiert.

 

Abdellah Lasri  zieht alle Register um seinen Tenor zur Höchstform  zu bringen. Alexander Vinogradow zu hören, ist ein ganz besonderes Ereignis. Faszinierend sein raumgreifender Bass, der einen tiefen  Eindruck hinterlässt. Auch die anderen Rollen (hervorragend Karin Strobos als Siebel) , Martijn Cornet (Valentin), Almuth Herbst (Marthe Schwerdtlein) und  Andreas Baronner (Wagner) sind bestens besetzt.

 

Sebastian Rouland dirigiert Gounods Partitur einfühlsam und klangschön.
Und wieder einmal auf hohem Niveau spielte der OpernChor und Extrachor des Aalto Theaters.

 

Fazit: Musikalisch und szenisch eine beeindruckende Leistung, die man nicht versäumen sollte.

 (HA-KRU)