Wilhelm Hübner, Die schlesischen Weber, 1844 Öl auf Leinwand, 77,5x 104,5 cm Kunstpalast Düsseldorf
Wilhelm Hübner, Die schlesischen Weber, 1844 Öl auf Leinwand, 77,5x 104,5 cm Kunstpalast Düsseldorf

Wuppertal

Visionen und Schrecken der Moderne - Industrie und künstlerischer Aufbruch

 11. März 2021 bis 11. Juli 2021

 

Die Ausstellung „Visionen und Schrecken der Moderne" im von-der-Heydt Museum ist schon im letzten Jahr entstanden und ein Beitrag des Museums zu 200 Jahre Friedrich Engels. Mitte November 2020 sollte sie geöffnet werden. Doch die Pandemie Maßnahmen erforderten eine Schließung des Museums. Die drei Kuratorinnen: Frau Dr. Antje Birthälmer (Gesamtkonzept), Dr. Beate Eickhoff und Dr. Anna Storm freuen sich, sie jetzt zeigen zu können. Allerdings ist die Besichtigung nur nach vorheriger Testung und Buchung eines Zeitfensters möglich oder online. In acht Räumen werden insgesamt 152 Arbeiten, davon 38 Gemälde, 8 Skulpturen, 33 Fotoarbeiten und 73 Grafiken gezeigt. Ein großer Teil der Exponate stammt aus der Sammlung des von der-Heydt-Museums, daneben sind auch hochrangige Leihgaben aus anderen Museen oder privatem Besitz zu sehen. Darunter Werke berühmter Künstler*innen wie Max Beckmann, Käthe Kollwitz, Bernhard Hoetger, Otto Dix, Conrad Felixmüller und George Grosz.

Die Ausstellung schlägt einen Bogen vom Beginn des 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
In fast chronologischer Abfolge konzentriert sich die Präsentation auf die Darstellung der Industrialilisierung und ihrer Folgen für die Kunst und die Gesellschaft. Desweiteren analysiert sie soziale und kulturelle Aspekte, die damit in Zusammenhang stehen.

Eine kulturhistorische Ausstellung planten die Kuratorinnen nicht, erläuterten sie ausdrücklich. Vielmehr wollen sie verdeutlichen, in welch unterschiedlicher Weise Künstler und Künstlerinnen auf die tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft reagierten und welche Antworten sie gefunden haben. Begriffe wie: Industrialisierung, Kapitalismus, Proletariat, Visionen und Schrecken ziehen sich deshalb von Beginn an als roter Faden durch die Ausstellung.

 

Die Textilindustrie brachte im 19. Jahrhundert Wohlstand und Wachstum nach Wuppertal. Hatte aber auch Schattenseiten. Während das Großbürgertum enorm vom Wohlstand profitierte und auf der Sonnenseite des Lebens wandelte, litt das Proletariat große Not und lebte in Armut und Elend. In seinen Briefen reflektierte Engels schon früh über das erbärmliche Dasein der Menschen und beklagte, dass sie „zerlumpt und alkoholisiert" in den Straßen hausten.

Zur gleichen Zeit erlebte die Porträtkunst einen Zenit. Der Düsseldorfer Maler "Hans Christian Kolbe" porträtierte das Großbürgertum in all seiner Pracht und adelte es in seinen Sujets. Mehrere Gemälde wohlhabender Frühindustrieller sind in der Ausstellung zu sehen. Der erfolgreiche Wuppertaler Geschäftsmann, "Peter de Weerth“, präsentiert sich mit Architektenplan und Uhr, während im Hintergrund ein Saal mit antiken Säulen zu sehen ist, Versatzstücke aus Adelsporträts. Die Widersprüche in der Gesellschaft motivierte Künstler um 1850 zu ersten sozialkritischen Ansätzen.

 

Felixmüller, Hochöfen, Klöckner-Werke, Haspe, nachts,1927 Leinwand, 85 x 110 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal©VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Felixmüller, Hochöfen, Klöckner-Werke, Haspe, nachts,1927 Leinwand, 85 x 110 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal©VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Zu Beginn dokumentiert die Ausstellung die Veränderungen und Umbrüche, die sich im 19. Jahrhundert in vielen Bereichen der Gesellschaft ereignet haben. Auch das Wuppertaler Stadtbild ist davon betroffen. Zu sehen ist eine Ansicht von Elberfeld. Statt ländlicher Idylle, dominieren in der Stadt rauchende Schornsteine. Wuppertal wird als "Das deutsche Manchester" bezeichnet. Engels Kommentar dazu: " die Wupper wird in roten Wogen durch die Industriegebiete gelenkt, rot gefärbt von den Färbereien.“

Die meisten Skulpturen im ersten Ausstellungsraum  stammen aus der Wuppertaler Sammlung. Der "Schmied" als Symbolfigur der Arbeiter wird als Held und als schöner Mann dargestellt. Kraftvoll und mit großer Kunstfertigkeit übt er sein Handwerk aus. In Lebensgröße und in seiner Arbeits- und Schutzkleidung begegnet der  "Hammerschmied "von Konstantin Menier den Besuchern. Sein linker Arm stützt sich in der Hüfte ab, der rechte Arm hält sein Werkzeug, die Arbeiterzange. Die Skulptur weckt die Erinnerung an antike Vorbilder.

Wie schwer "der Tauzieher" schuften muss,  um seine Tätigkeit auszuüben, lässt die Skulptur von Bernhard Hoetger erahnen.
Ein Schlüsselwerk in diesem Ausstellungsraum ist das Genrebild  von Carl Wilhelm Hübner „die Schlesischen Weber " aus dem Jahr 1844, ausgeliehen aus dem Kunstmuseum Düsseldorf. Hübner hat es im Jahr des Aufstandes der Schlesischen Weber gemalt.

Die Not der Weber und ihre Verarmung durch die Konkurrenz der Textilfabrik hatte schon Engels gesehen. Von Hübners Werk war er tief beeindruckt und erklärte, das Bild habe mehr für die Sache des Sozialismus getan als 100 Flugschriften. Das Gemälde zeigt Hausweber, die den "Fabrikanten Zwanziger" aufsuchen um ihre Stoffballen zu verkaufen. Der Fabrikant prüft die Ware und gibt sie wegen angeblich schlechter Qualität zurück.

Wilhelm Kleyenburgs  Gemälde "der Proletarier" zeigt einen Arbeiter, der zerlumpt und mit schwarzen Fingernägeln die Rheinische Zeitung liest. Während er die Gesindeordnung studiert  - sie legte fest, wie der Arbeitgeber mit dem Arbeiter verfahren durfte, rollt ihm eine Träne aus den Augen. Offensichtich kann der Arbeiter keine Verbesserung für sich feststellen. Auch heute fungiert die Textilindustrie weltweit als Gradmesser für die Gestaltung von Arbeitsbedingungen.

 

Heinrich Kley, Die Krupp‘schen Teufel,1912/13 Öl auf Leinwand, 165cm x 234, 50 cm LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Dortmund
Heinrich Kley, Die Krupp‘schen Teufel,1912/13 Öl auf Leinwand, 165cm x 234, 50 cm LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Dortmund

Ein monumentales Bild der Ausstellung ist das Gemälde von Heinrich von Kley "Die Krupp`schen Teufel ". Dargestellt sind Arbeiter und Riesen in einer von Rauchschwaden durchzogenen Fabrikhalle Feuer leuchtet auf, die Maschinen schweigen. Die Teufel veranstalten ein Saufgelage mit glühendem Stahl, scheinen aber harmlos zu sein.

Kley malte im Auftrag von Krupp Industrielandschaften. Bei den „Krupp`schen Teufeln“ handelte es sich um eine freie Arbeit. Kley war auch Karikaturist, die Persiflage deutet auf Zukunftsvisionen und auf eine neue Zeit.

Conrad Felixmüller faszinierten Industrieanlagen. Sein Werk: "Hochöfen, Klöckner Werke Haspe " im zweiten Raum, leuchtet in den Farbkontrasten Blau und Gelb besonders intensiv. Die Künstler der neuen Sachlichkeit begeisterten sich für Industrieanlagen, ihrer Architektur und Technik. Sie bescheinigten ihnen sogar "eine Form von Erhabenheit".

Der neuen Sachlichkeit widmen sich auch Franz Radziwill mit seinem Gemälde "Wilhelmshaven" und Carl Grossberg, der in den1930er Jahren zahlreiche Industrie und Maschinenbilder schuf.

 

Carl Grossberg, Der gelbe Kessel, 1933 Öl auf Leinwand auf Holz, 90 x 70 cm , Von der Heydt-Museum Wuppertal
Carl Grossberg, Der gelbe Kessel, 1933 Öl auf Leinwand auf Holz, 90 x 70 cm , Von der Heydt-Museum Wuppertal

Grossberg hatte Kontakt zu Wuppertalern Fabrikanten und durfte in den Fabrikanlagen malen. Ihn interessierten Ästhetik und Funktionalität sowie neue technologische Möglichkeiten.

 

Nach seinem Architekturstudium ging er ans Bauhaus und war der erste Schüler von Feininger.

 

 Das Bild zeigt einen riesigen Kessel in einer Fabrikanlage, der zu einem Körper - einem Individuum mit feinen Schläuchen und Leitungen wird. Der Kessel fungiert als menschliches Gegenüber.

 

 

Hans Baluschek, Arbeiterinnen (Proletarierinnen), 1900 Öl auf Leinwand, 120 x 190,5 cm Stiftung Stadtmuseum Berlin
Hans Baluschek, Arbeiterinnen (Proletarierinnen), 1900 Öl auf Leinwand, 120 x 190,5 cm Stiftung Stadtmuseum Berlin

Raum drei zeigt Grafiken, die sich mit der Not der Zeit auseinandersetzen. An dem sozialen Elend des Proletariats nahmen Max Klinger und Käthe Kollwitz großen Anteil.

Heinrich Zille, als "Milljöh Satiriker" berühmt geworden, zählt mit Hans Baluschek zu den Berliner Realisten, deren Werke ebenso den schonungslosen Blick auf die erbärmlichen Zustände frei geben.

Das großformatige Bild von Baluschek "Arbeiterinnen von 1900" bildet die Monotonie dieser Wirklichkeit ab. Nach Fabrikschluss verlassen die Arbeiterinnen dichtgedrängt das Fabrikgelände, sie unterscheiden sich kaum voneinander, nur durch kleine Details (eine Frau hat offensichtlich Zahnschmerzen) sind sie identifizierbar. Ihre Gesichter spiegeln Erschöpfung und Resignation.

Otto Dix, Fabrikmädchen,1922 Aquarell und Bleistift auf Karton, 49,5 x 39,5 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal© VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Otto Dix, Fabrikmädchen,1922 Aquarell und Bleistift auf Karton, 49,5 x 39,5 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal© VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Für ein neues Selbstbewusstsein der Frauen steht „das Fabrikmädchen“ von Otto Dix. Im modisch blauen Matrosenkleid und typischer Kopfbedeckung schaut sie kokett in die Zukunft.

Unruhen und Krisen erschütterten die Menschen in der Weimarer Republik (Raum fünf). Sie litten unter den traumatischen Kriegserlebnissen. Hunger und Not bestimmte ihre Realität.

Die Künstler*innen des Expressionismus beschäftigten  sich mit den seelischen Zuständen ihrer Mitmenschen und setzten sich mit gesellschaftlich relevanten Themen kritisch auseinander.

Otto Dix, George Grosz und Max Beckmann stellten Bettler und  Kriegsversehrte dar. Unter den Bettlern ist auch der Kopf von Karl Marx zu entdecken. Als Kritik an den politischen Verhältnissen.

Volker Böhringer gestaltete ein Schreckensbild mit seinem Gemälde „Kriegsblinder“ von 1935.

 

Käthe Kollwitz, "Arbeiterfrau mit blauem Tuch", 1903 Farblithografie auf Kupferdruckpapier 35 x 24,5 cm, Von-der Heydt-Museum Wuppertal

Die Arbeiterin ist von ihrem harten Leben gezeichnet. Licht und Schatten konturrieren ihr Gesicht. Die tiefliegenden Augen und eingefallenen Wangen lassen auf schwere körperliche Anstrengung schliessen.

Kollwitz wohnte in einem Arbeiterviertel und solidarisierte sich mit der armen Bevölkerung. Ihre Radierungen "der Bauernkrieg" und "die Weber" greifen auf historische Ereignisse zurück. Schon damals ging es um Unterdrückung und Rechtlosigkeit.  

 Max Klinger gestaltete den Zyklus "Dramen", auf der Basis realer Eeignisse. Er verfügte über eine genaue Beobachtungsgabe und gab die Eindrücke sozialer Gegensätze und Ungerechtigkeiten  in seinen Werken wieder.                                                                                                                            

Der sechste Raum stellt die Kölner Progressiven und ihre Utopie von einer humaneren und besseren Welt vor. Zu ihnen zählen:  Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle und Gert Arntz. Sie fühlten sich den Marxisten nah und setzten sich für eine klassenlose Gesellschaft ein. Als Bildsprache wählten sie den Konstruktivismus. Die Druckgrafik als Medium spielte eine wichtige Rolle in ihrer künstlerischen Tätigkeit. Gerd Arntz wandte sich besonders dem Holzschnitt zu.

Hoerles Gemälde „Denkmal der unbekannten Prothesen“ 1930 führt den Schrecken des Krieges als Horrorszenarium vor Augen.

 

Die Industriefotografie (siebter Raum) wurde bereits in den 1860er Jahren populär und erlebte einen Aufschwung in den 1930er Jahren. Als wichtige Vertreter der neuen Sachlichkeit und des neuen Sehens gelten Otto Balz und Albert-Renger Patzsch. Die moderne Welt der Industrie und der Technik rückt in den Fokus der Betrachtungen. Die ausgewählten Fotografien zeigen beispielhaft die neue Art des Sehens.

 

Der letzte Ausstellungsraum gilt der Jetztzeit. Im Mittelpunkt steht die Gefährdung der Welt durch Globalisierung, Klimawandel und Umweltzerstörung sowie die Darstellung zeitgenössischer Positionen. Die negativen Folgen der kapitalistischen Gesellschaft, über die schon Engels klagte, haben sich im 21. Jahrhundert dramatisch verstärkt.

Gerd Arntz, Fabrikhof,1926 Holzschnitt, 30 x 43 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal©VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Mit Piktogrammen (einfachen Bildsymbolen) stellt Arntz Situationen des Alltags dar.

 

Eintritt: 12 Euro pro Person, solange die Zeitfenster-Regelung gilt: 10 Euro

Der Besuch des Museums ist ausschließlich mit einem Online Ticket mit Zeitfenster möglich.

Führungen finden nur digital statt.

Anmeldung im Online Shop der Homepage

Buchung: www. von-der-heydt-museum.de