Essen

 

Madame Butterfly

Oper von Giacomo Puccini

Musikalische Leitung:  Stefan Soltesz

 

Inszenierung:              Tilman Knabe

Bühne:                         Alfred Peter

Kostüme:                     Gabriele Rupprecht

Choreinstudierung:    Alexander Eberle

 

Premiere:                     21.04.2011

 

Konsequent in den Tod

 

In der Vergangenheit schockte Tilman Knabe mit spektakulären Inszenierungen sein Publikum. Jetzt inszenierte er mit "Madama Butterfly"seine fünfte Oper für das Aalto-Theater in Essen. Das Publikum bejubelte die glänzende Aufführung. Annemarie Kremer in der Titelrolle der „Butterfly“ bekam Szenenbeifall.

 

Was Puccini wollte

 

Die Puccini Oper war 1904 bei ihrer Uraufführung in der Mailänder Scala ein Reinfall. Erst nach Eingriffen in das Libretto stellte sich der Erfolg ein. Der Komponist bezeichnete sie als „die gefühlteste und ausdrucksvollste“ Oper, die er je geschrieben habe. Die Protagonistin ist eine tragische Figur, die an ihrer Lebenslüge scheitert und daran zugrunde geht. Die Oper unterlag vielen Fehl-Interpretationen und wurde mit den Attributen „Süßlichkeit und Kitsch“ abgetan. Dabei hat Puccini szenisch und musikalisch exakte Regieanweisungen gegeben, die keine dieser Auffassungen rechtfertigen. Die Oper enthält viel politischen Zündstoff, ist zeitlos und sozialkritisch. Kompositorisch hat Puccini der Titelheldin weitaus mehr Raum überlassen, als allen anderen Frauengestalten in seinen Werken zuvor.

 

Handlung

 

Cho Cho San, die japanische Geisha, auch Butterfly genannt, ist in abgöttischer Liebe zu Pinkerton, einem amerikanischen Marine-Offizier, entbrannt. Für ihn wechselt sie zum Katholizismus und wird daraufhin von ihrer Familie verstoßen. Als Pinkerton in die Staaten zurückkehrt, wartet sie sehnsüchtig auf seine Rückkehr. Es kommt zur Katastrophe, als er das gemeinsame Kind zu sich holen will.

 

Zeitlose Inszenierung

 

Auch Tilman Knabe fokussiert in seiner Inszenierung den zeitlosen Charakter der Oper. Seine Butterfly weiß, worauf sie sich einlässt und geht konsequent ihren Weg. Überzeugt davon mit Pinkerton das große Los gezogen zu haben, bricht sie mit allen Traditionen und legt ihren Kimono ab. Der erste Akt spielt in einem nüchtern ausgestatteten Wohncontainer, der die Funktion einer vorübergebenden Bleibe hat. Pinkerton und Goro werden sich schnell handelseinig, der Vermählungsakt geht über die Bühne. Romantik kommt in der sterilen Atmosphäre des Containers nicht auf. Für den Offizier ist die Ehe mit „Butterfly“ nur eine Verbindung auf Zeit, um sich den Aufenthalt in einem fremden Land so angenehm, wie möglich zu machen. Weder die Kultur Japans, noch die tiefen Gefühle Butterflys interessieren ihn.

 

Butterfly dagegen sieht in der Zukunft mit Pinkerton ihre einzige Perspektive. Ihre vollkommene Identifikation mit der US Kultur spiegelt sich in Kleidung und Interieur. In der Inszenierung darf dann auch „Obama“ nicht fehlen. Sein zum Kultstatus gewordenes Poster „Hope“ springt sofort ins Auge und lässt einige Zuschauer ein lautes „Buh“ anstimmen. Regisseur Knabe konfrontiert das Publikum im zweiten Akt mit einer Frau, die sich ihren Illusionen im rosafarbenen Jogginganzug hingibt, jeden Realitätsbezug verloren hat und unübersehbare Kennzeichen des Fast Food Essens und ungehemmten Trinkens aufweist. Keine Spur mehr von Anmut und Liebreiz. Ihr Domizil enthält Anzeichen von Verwahrlosung, statt schmückender Blumen stapeln sich Plastiksäcke und Müll. Total angepasst ans Milieu auch ihr Sohn mit Coca Cola Mütze und Dienerin Suzuki in Jeans. Dass Butterfly unaufhaltsam auf ein Drama zusteuert, demonstriert die Regie mit der zunehmenden Schieflage des Containers. 

 

Butterflys Selbsttäuschung

 

 

Eindrucksvoll lenkt Knabe immer wieder den Blick auf die Selbsttäuschung der Protagonistin, die in ihrer armseligen Behausung dahin vegetiert. Mittels intensiver Personenregie gelingt es Knabe, ihre Verletzlichkeit, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit wiederzugeben, besonders deutlich in den großen Duettszenen und in den berührenden Auftritten mit ihrem Kind. Annemarie Kremer in der Rolle der Titelpartie lässt keine Wünsche übrig. Ihr leuchtender Sopran und ihre Darstellungskraft transportieren jede Stimmung und faszinieren durch große Ausdruckskraft und gefühlvolle Tiefe. Luis Chapa verkörpert den Pinkerton klanglich überzeugend, wünschenswert wären etwas mehr Schmelz bei den Liebesschwüren. Rainer Maria Röhr gibt treffend den schmutzigen Charakter Goros wieder, Leva Prudnikovaite ist eine stimmtechnisch ideale Suzuki. Auch die anderen Rollen sind exzellent besetzt und bescheren dem Aalto Publikum einen erlesenen Abend.

 

Die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Stefan Soltesz spielen auf gewohnt hohem Niveau. Begeisterter Beifall für das gesamte Ensemble. (Ursula Harms-Krupp)