Dortmund

 

Die Csárdásfürstin 

Operette von Emmerich Kálmán

 

Libretto von Leo Stein und Béla Jenbach

Musikalische Leitung: Philipp Armbruster

Inszenierung und Choreografie: Ricarda Regina Ludigkeit

Regiekonzeption: Josef Ernst Köpplinger

Übernahme vom Staatstheater Nürnberg

 

Premiere 13. Januar 2013

 

Es darf etwas mehr sein

 

Was wäre wenn die Regisseurin und ihre Mitarbeiter an der Oper Dortmund das künstlerische Potenzial, das ihnen zur Verfügung stand, ein tolles Theater, ein sehr gutes Orchester, spielfreudige, temperamentvolle und hervorragende Sänger und last but not least eine der schönsten Operetten, mit dem Ziel der guten Unterhaltung des Publikums genutzt hätten.

 

Ausspruch Kàlmàns: "Mit einer Symphonie kann man vielleicht eine Bedeutung vorschwindeln, die man nicht besitzt ... aber schon das einfachste Lied, der kleinste Walzer muss erfunden sein und muss jenen ganz gewissen Funken haben, der die Leute mitreißt".

 

 Die Csárdásfürstin ist eine der schönsten Operetten und so beliebt, dass im Laufe der vergangenen fast hundert Jahre jedes Gesangstück zu einem „Ohrwurm“ geworden ist. So war die Erwartungen an die Inszenierung groß. Wird sie sich nah am Libretto orientieren oder ist mit gravierenden Einschnitten zu rechnen? Fragen, die im Vorfeld diskutiert wurden. Ob es letzten Endes gelänge, die Menschen für das Genre "Operette" zu interessieren und sie mitzureißen.

 

Thema der Operette ist die Liebe zwischen Edwin, Sohn des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim und Sylva, der erfolgreichen Varietésängerin. Der Fürst ist nicht einverstanden mit der Wahl seines Sohnes und versucht, als Edwin die Vermählung mit „Sylva“ erzwingen will, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, die Verbindung zu verhindern. Stattdessen gibt er die von ihm länger angestrebte Verlobung seines Sohnes mit der standesgemäßen Anastasia (Stasi) einer Cousine Edwins, bekannt. Sylva Varescu, die ein schriftliches Heiratsversprechen Edwins in Händen hält, ist zutiefst verletzt und fährt nach Amerika. Nach ihrer Rückkehr aus Amerika täuscht sie eine Ehe mit dem Freund Edwins vor. Trotz der nun folgenden vielen Verwicklungen: Sylvas angeblicher Ehemann und Stasi verlieben sich ineinander, die Mutter Edwins klärt eine große Lebenslüge auf, sie war selbst einst eine Varietékünstlerin, hatte diese Tatsache aber ihrem Mann verschwiegen, kommt es dann doch noch zum Happy End.

 

Das alles: Liebe und Eifersucht, Traurigkeit und Verlust, Spannung und Intrigen, Witz, Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, gibt so viel Stoff für eine schmissige Aufführung her, dass man sich wundert, warum der erste Teil so langatmig, betulich um nicht zu sagen langweilig, daher kommt.

 

Die Uraufführung der Csàrdàsfürstin fand während des 1. Weltkrieges  in Wien statt (13. November 1915).

Regisseurin Ludigkeit lässt in Dortmund Soldaten aufmarschieren, als Hinweise auf den bereits tobenden Krieg und den Niedergang der K & K Monarchie. Die geöffneten Glastüren (Bühnenbild Rainer Sinell) geben den Blick in die schwarze Nacht frei, Schnee rieselt, im Fürstenpalais stehen jede Menge Stühle, auf denen niemand sitzt, der Putz bröckelt von den Wänden.

 

Für die Regie hätte es weitaus mehr Möglichkeiten gegeben mit Scherz, Satire und Ironie einen Bogen über die letzten 100 Jahre zu spannen. Damit hätte sie illustrieren können, dass soziale Ungleichheit auch in unserer Gesellschaft ein großes Thema ist. Zunehmend rücksichtslos setzen Mächtige ihren Willen durch.

 

In adeligen Kreisen wird das Prinzip der standesgemäßen Vermählung nach wie vor hochgehalten, Hauptsache die gesellschaftliche Akzeptanz stimmt. Wenn es um große Vermögen geht, wird das blaue Blut auch schon mal per Fürstentitel verliehen oder vermögende Erwachsene gegen entsprechende Bezahlung adoptiert. Mit der Karriere klappt es dann allemal besser. Die Rolle der adeligen, regierenden Herrscherhäuser, die bei der Verursachung grauenhafter Kriege maßgeblich beteiligt waren, darf nicht unerwähnt bleiben. Die Inszenierung hätte darauf eingehen können, stattdessen ließ man Luftballons fliegen. Sollte das den Bezug zur Gegenwart deutlich machen?

 

Die einzelnen Künstler sind sämtlich zu loben. Insbesondere hervorzuheben: Heike Susanne Daum als Sylva, die mit ungeheurer Bühnenpräsenz und tadellos geführter Stimme die Titelpartie meisterte, an ihrer Seite ebenso bravourös Peter Bording mit kräftigem Bariton als Edwin. Tamara Weimerich beeindruckte als anmutige Stasi. Johanna Schoppa als Fürstin Anhilte, die mit ihrem ständigen Verlangen nach einer Zigarette ihr Umfeld nervt, ließ das Publikum schmunzeln. 

 

Für die großartigen Solodarbietungen gab es vom Publikum immer wieder Zwischenapplaus. Warum es im letzten Teil der Operette gelang, alles das, was der erste Teil vermissen ließ, Witz, Ausgelassenheit und Spannung mit der mitreißenden Musik in Einklang zu bringen und das Publikum plötzlich mitging, erschließt sich nicht.

(Elisabeth Klawitter)